Bewusste Skandalisierung
Eigentlich schien sich nach dem wochen-, ja monatelangen Streit um die Zukunft des Autonomen Zentrums alles in Wohlgefallen aufzulösen. Der Umzug in die Südstadt war gut über die Bühne gegangen, keiner der Beteiligten hatte Gesichtsverlust zu beklagen. Doch dann holten die Kölner FDP und der Kölner Stadt-Anzeiger noch mal die große Skandalkeule raus. Der Vorwurf: die Besetzer hätten aus ihrem Ex-Standort in Kalk eine moderne Trutzburg gebaut, mit lebensgefährdenden Fallen.
Zugegeben, der Artikel von Ende September hat mitunter fast komisches Potenzial. »An mehreren Stellen standen mit Steinen gefüllte Eimer herum«, lautet ein Satz, der auch als Titel einer Kurzgeschichtensammlung von Max Goldt funktionieren würde. Wenn nur der Hintergrund nicht so ärgerlich wäre.
Die Vorwürfe entpuppten sich als Luftnummer: Von den von der FDP ins Feld geführten Sprengfallen fehlte jegliche Spur, auch für unter Strom gesetzte Türen gibt es keine Beweise. Was es gab — abgesehen von Steinen in Eimern — waren Dinge, die nur mit viel Mühe als Waffe interpretiert werden können. Ist ein Stahlbügel zum Versperren einer Tür eine Waffe, dann ist auch die Tür selbst eine Waffe, und der dazugehörige Schlüssel. Aus Wänden stehende Nägel sind in den meisten Hobbykellern und Gartenhäuschen zu finden. Abgesehen vom geringen Gefährdungspotenzial kommt hinzu: Gegen derlei Vorberei-tungs-handlungen kann man nichts unternehmen — strafrechtlich sind sie irrelevant.
Warum also der große Aufriss? Dass die FDP das Thema aufbläst (und wenige Tage später auch vorschlug, den Bau-wagen-platz Krefelder Straße für Studentenwohnungen zu nutzen), ist zu erklären mit einer Öffnung ins rechte bis sehr rechte Lager im Umfeld der Bundestagswahlen. Dass der Kölner Stadt-Anzeiger das Thema über mehrere Tage behandelt und mit einem Kommentar unter der Überschrift »Gewaltbereit und unberechenbar« beschließt, ist bewusste Skandalisierung. Man darf nicht vergessen — für den Umzug vom Über-gangs-stand-ort Eifelwall an die Luxemburger Straße gibt es bislang lediglich eine Absichtserklärung der Stadt, unterzeichnet ist noch nichts. Mit einer solchen Offensive torpedieren Stadt-Anzeiger und FDP unisono die aktuellen Verhandlungen. Die FDP machte ihre Strategie schon in ihrer Anfrage an den Rat der Stadt unver-hohlen deutlich: »Welche Konsequenzen zieht die Verwaltung aus den o.g. Erkenntnissen für ihren Umgang mit den Vertragspartnern des Autonomen Zentrums?«, heißt es da.
Die wirklich schlechte Nachricht ist aber die: Gegen derlei Ratsanfragen und Artikel kann man nichts unternehmen. Strafrechtlich sind sie irrelevant.