From Berlin with Love
Die deutsche Hauptstadt hat sich zum Sehnsuchtsort entwickelt — nicht nur für die immer leidenschaftlicher gebashten süddeutschen Privinzflüchtlinge, sondern eben auch für kreative Selbstverwirklicher aus dem angloamerikanischen Raum. Die sind vor Ort natürlich lieber gesehen — Weltläufigkeit, ick hör dir trapsen. Die Charity Children passen da gut ins Bild. Aus Neuseeland ist das Boy-Girl-Duo vor zwei Jahren nach Berlin ausgewandert, inzwischen sind sie einer der angesagtesten Indie-Folk-Acts.
Das Gründungsmärchen liest sich wie die Drehbuchidee zu einer gefährlich kitschigen Musik-Dramolette im Geiste von »Once«: Nach einem Konzert in einer Bar in Auckland spricht der Weltenbummler Elliott McKee die Sängerin Chloe Lever an, beide verziehen sich in den Backstageraum, spielen sich gegenseitig auf der Ukulele schüchterne Songs vor, und am Ende wird geknutscht. Im Rausch der Gefühle benötigen die beiden nicht mehr als Luft , Liebe und Musik — also machen sie sich auf den Weg nach Berlin, wo sie sich im Mauerpark als Straßenmusiker verdingen.
Dabei vermitteln die Charity Children das Gefühl größtmöglicher Innigkeit: Sie singen füreinander, richten den Blick nicht ins Publikum, sondern blicken sich gegenseitig in die Augen. Als würden sie die Aufführung gar nicht benötigten. Ihr große Trumpf ist die supersympathische Ausstrahlung. Elliott könnte Dank seiner feinen Gesichtszüge der Sohn von Schauspielerin Tilda Swinton sein und gibt mit Zottelfrisur und Schiebermütze den klassisch verträumten Indie-Schluffi. Chloe setzt auf tantigen Second-Hand-Chic, dem man ansieht, dass zwar kein Geld in the house ist, dafür aber Improvisationstalent.
Der Look korrespondiert kongenial mit den Songs, die sagen: Du musst nicht viel können. Drei Akkorde auf der Ukulele und ein Herz aus Gold sind völlig genug, um deinem Publikum die Tränchen im die Augenwinkel zu treiben. Beim Durchleuchten der hinteren Winkel ihrer Musik stößt man aber doch auf ihr subversive Potenzial, das dem hier skizzierten Bild der vollständigen Harmonie ein paar tiefe Kratzer verleiht: »You‘re unloved Elzabeth, you‘re unloved«, lauten die hymnischen Refrainzeilen ihres bis dato öffentlichkeitswirksamsten Songs über ein von den Eltern verstoßenes Mädchen. Wenn das mal nicht herzergreifend fies ist.
Tonträger: »The Autmn Came« ist auf Monkey Records erschienen