Völlig fast zufrieden
Hanswerner Möllmann sitzt zwischen den Bücherregalen im Ehrenfelder Café Goldmund und ist zufrieden. Seit kurzem sind die Planungen für das Helios-Gelände zwischen Innerer Kanalstraße, Venloer und Vogelsanger Straße abgeschlossen. »Der GAU konnte abgewendet werden«, sagt Möllmann. Der GAU, das wäre für den Sprecher der Bürgerinitiative Helios der zunächst geplante Bau eines riesigen Einkaufszentrums wie in Kalk gewesen. »Wir haben es mit unserem Protest und langen Diskussionen geschafft, eine neues Konzept zu entwickeln«, sagt Möllmann. »Wir haben dabei mit der Stadt und dem Investor Paul Bauwens-Adenauer zusammengearbeitet. Ich glaube, alle haben viel gelernt.« Mit Bau- und Planungsrecht kannte sich Möllmann früher so wenig aus wie die meisten seiner Mitstreiter. Das Ergebnis der jahrelangen Diskussionen, ein von Wegen durchzogenes Gelände mit Wohnungen, Kultur und einer Inklusiven Schule auf dem Gelände der Diskothek »Underground«, hält er für gelungen.
Auch Paul Bauwens-Adenauer, Investor und Präsident der IHK Köln, zeigt sich zufrieden. Dass sein Unternehmen auf dem Gelände nicht wie ursprünglich geplant ein Einkaufszentrum bauen kann, bedeutet für ihn im Wesentlichen einen Zeitverlust. »Über Einkaufszentren kann man geteilter Meinung sein, allerdings lag für die Fläche damals ein politischer Beschluss zur Ansiedlung von Einzelhandel vor. Jetzt ist das nicht mehr so.« Bauwens-Adenauer wird nun zum größten Teil Wohnungen und Flächen für Unternehmen aus dem Bereich der Kreativwirtschaft auf dem Gelände errichten. Der Einzelhandel ist im Umbruch, er verlagert sich teilweise ins Internet. Einkaufszentren, sagt Bauwens-Adenauer, könnten so an Bedeutung verlieren.
Dennoch fällt es ihm nicht leicht, auf dem Helios-Gebiet so ganz auf den Einzelhandel zu verzichten. »Der gehört zu jedem Quartier dazu, wurde aber in den Diskussionen fast verteufelt«, findet der Bauunternehmer. Ein wichtiger Bestandteil des Projekts sei die Inklusive Universitätsschule, sagt Bauwens-Adenauer. Die Trägerschaft dieser Schule, die von der ersten Klasse bis zum Abitur führen wird, sollen Stadt und Universität gemeinsam übernehmen; der Unterricht auch von Studenten erteilt werden. Man müsse nun dafür sorgen, dass sie nicht nur konzeptionell, sondern auch baulich hervorsteche, findet Bauwens-Adenauer.
Am Verfahren hat ihm nicht alles gepasst. »Man hätte über Ehrenfeld als Ganzes und nicht nur über das Helios-Gelände sprechen müssen.« Mehr Menschen hätten einbezogen werden müssen. »Der türkische Lebensmittelhändler und das Ehrenfelder Rentnerpaar saßen nicht mit am Tisch.« Das Problem sieht auch Möllmann: »Wir waren uns immer bewusst, dass der Alt-Ehrenfelder fehlte, aber alle hätten mitmachen können. Viele, vor allem von den Migranten, haben es nicht getan. Aber Gruppen wie die Interessensgemeinschaft Venloer Straße, in der viele Kaufleute organisiert sind, waren zumindest zeitweise dabei.«
Akademiker, gewohnt, ihre Interessen zu benennen und auch durchzusetzen, waren unter den Bürgern überdurchschnittlich stark vertreten. Auch Jörg Detjen, Fraktionschef der Linken im Stadtrathat das Verfahren genau verfolgt und begleitet. »Es waren viele Lehrer dabei, Eltern aus dem akademischen Milieu.« Gut sei gewesen, dass parteiübergreifend gearbeitet wurde und alle Diskussionen offen geführt worden seien. »Wichtig ist jetzt, dass die Inklusionsschule kommt. Sie darf nicht durch die Hintertür wieder weggeräumt werden. Sie ist der Ort, der auch für viele Migrantenkinder wichtig ist.«
Die Inklusive Universitätsschule kommt — da ist sich der Ehrenfelder Bezirksbürgermeister Josef Wirges (SPD) sicher: »Die Inklusive Universitätsschule ist zentraler Bestandteil aller Helios-Pläne.« Es werde schon jetzt an der Realisierung gearbeitet, sagt Wirges. »Alles ist jetzt nur noch eine Frage der Zeit und des Geldes.«
Pläne, gute Pläne, aber mehr gibt es eben noch nicht für das Helios-Gelände, so sieht es Möllmann. Deshalb wird die Bürgerinitiative weitermachen und darauf drängen, dass die Pläne auch Wirklichkeit werden. Möllmann weiß, dass sich Ehrenfeld verändern wird, dass die neuen Wohnungen nicht billig sein werden, dass der größte Teil der Kulturszene rund um das Helios-Geländes bald weiterziehen könnte, vielleicht nach Mülheim, vielleicht nach Kalk. Dennoch ist er optimistisch. Paul Bauwens-Adenauer betone ja immer seinen stadtplanerischen Anspruch, und Baudezernent Franz-Josef Höing schätze Bürger, die sich einmischen. »Die Schule muss offen für den Stadtteil werden, die Szene darf nicht ganz verschwinden«, sagt Möllmann. »Es geht weiter, noch eine ganze Zeit – aber miteinander.«