Foto: Manfred Wegener

Schutzgeld im Frauenhaus

Seit einem Jahr müssen erwerbstätige Frauen zahlen, um in Köln Zuflucht zu finden

 

Man stelle sich vor, eine Frau fasst den Mut, ihren gewalttätigen Mann zu verlassen, und wählt die Nummer eines Kölner Frauenhauses. Die Mitarbeiterin am anderen Ende der Leitung bietet ihr Hilfe an, um gleich im Anschluss Fragen nach ihrem Einkommen und den finanziellen Verhältnissen zu stellen. Klingt nach einem verunglückten Krisengespräch — doch dieses Szenario ist in Köln seit einem Jahr Realität: »Wir stecken in einem Dilemma«, schildert Anna Claßen von Frauen helfen Frauen e.V., dem Träger der beiden Autonomen Frauenhäuser in Köln. »Einerseits möchten wir die Frau dabei unterstützen, aus der Gewaltsituation herauszukommen. Andererseits dürfen wir ihr nicht verschweigen, welche Kosten dann möglicherweise auf sie zukommen.« 

 

Seit dem 1. Januar 2013 zahlt nicht mehr die Stadt über jährliche Pauschalhilfen für die Unterkunft Schutz suchender Frauen, sondern das Jobcenter über eine so genannte Einzelfallfinanzierung. Jede Frau muss die Kosten der Unterkunft von etwa 67 Euro pro Tag selbst beim Jobcenter beantragen, und falls sie Geld verdient, eine Rente bezieht oder ein noch so kleines Vermögen besitzt, für ihren Schutz und den ihrer Kinder einen Eigenanteil von bis zu 100 Prozent aufbringen.

Anna Claßen und ihre Kollegin Jenny Wörz haben mehrfach erlebt, dass Frauen seit Inkrafttreten dieser Regelung nach einem ersten Telefongespräch nie wieder von sich hören ließen. Außerdem berichten sie von Fällen, in denen Frauen die Schutz bietende Unterkunft nach nur wenigen Tagen wieder verlassen hatten, weil sie Angst hatten, sie nicht bezahlen zu können. »Sie sind dann lieber zu einer Freundin gezogen und haben dafür in Kauf genommen, dass der Gewalttäter sie dort möglicherweise aufspüren kann«, so Wörz. 

 

Der Grund für die Umstellung von Pauschalhilfen hin zur Einzelfallfinanzierung liegt für die Stadt auf der Hand. Damit der ehemalige Partner sie nicht finden kann, ist die Flucht ins Frauenhaus für viele Frauen auch mit dem Umzug in eine andere Stadt verbunden. In Kölns Frauenhäusern leben also überwiegend Frauen aus anderen Städten. Die Jobcenter können sich somit das Geld für die Unterkunft von den Herkunftskommunen der Frauen zurückholen. Diese Praxis ist in anderen Städten schon seit Jahren üblich, und so beschloss der Kölner Rat 2012, dass er die Unterkunft von Frauen aus anderen Kommunen nicht mehr finanzieren will, während diese sich gleichzeitig das Geld für die Kölner Frauen zurückholen, die bei ihnen Zuflucht suchen. »Die Finanzierung aus freiwilligen kommunalen Mitteln ergibt als Insellösung keinen Sinn«, begründet Ossi Helling, sozialpolitischer Sprecher der Kölner Grünen, den Beschluss. »Bei unserer derzeitigen Haushaltssituation hätte außerdem die Gefahr bestanden, dass die institutionelle Förderung immer weiter zurückgeht. Die Häuser waren ja ohnehin schon unterfinanziert.«

 

Anna Claßen kann diese Argumente nachvollziehen, gibt aber zu bedenken: »Es kann nicht sein, dass Gewaltopfer für ihren Schutz selbst aufkommen müssen.« Sie sieht Land und Bund in der Pflicht, eine übergreifende Lösung zu suchen. »Schutz vor Gewalt darf nicht bei den Sozialleistungsträgern verankert sein. Das macht Gewaltschutz zu einem Armutsproblem, Gewalt gibt es aber in allen Schichten.« Neben dem Schutz bieten Frauenhäuser auch eine Beratung an, zum Beispiel dazu, wie es für die Frauen beruflich weitergehen kann. Bald wieder ein selbständiges Leben führen zu können, das ist das Ziel. Normalerweise. Nun müssen die Mitarbeiterinnen den Frauen aber sagen, dass sie von dem verdienten Geld einen Großteil für ihren Aufenthalt im Frauenhaus zahlen müssten. »Dadurch müssen die Frauen bei uns in einem Status der Unselbstständigkeit verharren, zu dem sie vorher häufig schon ihr Mann gezwungen hat.«

 

Um diesen Zustand der Unsicherheit zu beenden, starten Wörz und Claßen im Januar eine Spendenkampagne für erwerbstätige Frauen. Auch im vergangenen Jahr haben sie schon versucht, den Frauen mit Spendengeldern beim Stemmen ihres Eigenanteils zu helfen, »aber wir stoßen da sehr schnell an unsere Grenzen.«