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Konkurrenz für Björk: Niobe und Tujiko Noriko

Nach ihrem kurzweiligen Debut „radioersatz“ auf dem feinen Kölner Tomlab-Label hat sich die Kölner Sängerin, Musikerin und Produzentin Niobe mit ihrem neuen Album „Tse Tse“ zu Sonig, ins Release-Umfeld von Mouse On Mars, begeben. Tomlab wiederum veröffentlicht jetzt das neue Album der Tokyoter Chanteuse und Produzentin Tujiko Noriko, die zuvor bei Mego in Wien dem Glitch-Pop fröhnte. Björk drängt sich deshalb als Vergleich auf, weil sich die künstlerischen Ansätze berühren: Elektronische Musik, irgendwo zwischen Song, Track und Vokalakrobatik; Ambitioniertheit hinsichtlich der Plünderung unterschiedlichster Genreelemente zur Kreation ganz eigener Klangwelten; Selbst-Inszenierungen, die zwischen divenhafter Extrovertiertheit und „unschuldiger“ Naivität schwanken. Im Gegensatz zu Niobe und Tujiko Noriko und ähnlich wie Madonna bedient sich Björk bei ihrer Musik aber in der Regel mann-maschineller Produktivität. Niobe und Tujiko Noriko hingegen beschränken sich nicht aufs typisch weibliche Performancemodell, sondern haben sich die Produktionsmittel angeeignet.

Wie kollektivistisch ist eine Soloperformance?
Niobes Album „Tse Tse“ klingt ein wenig sperriger und holpriger, aber auch komplexer und virtuoser als der Vorgänger. Die Forcierung eines einzigartigen künstlerischen Entwurfs ist dabei deutlich spürbar. Wie kann man als Soloperformerin kollektivisch sprechen, wie lässt sich Vielstimmigkeit synchron und diachron organisieren? Solche positiv zu bewertenden Fragen schwingen mit in den als Exotika vorgeführten Spielweisen, Samples und Materialfragmenten aus Klassik, Weltmusik, Funk, Electro, Blues, Soul oder Folk, die hier nacheinander auf einer Leine aufgespannt werden.
Im Gegensatz zur Hälfte der Sonig-Acts spielt Niobe aber keine kritische Musik, welche sich, beim Aufbegehren gegen die hegemonialen Politiken von Charts, Techno oder Pop in dekonstruktivistischen Schleifen verheddert hat. Niobes Travestie von Chanteuserie und weiblichem Chorgesang klingt dann auch eher wie ein Gimmick, der beim Hörer nichts anderes als das subjektive Geschmacksurteil aufruft. Problem: Besteht die Kunst weiterhin darin, sich den verbrecherischen Entweder/Oder-Logiken zu entziehen und auf Diversität und unendliche Potenzialiät zu verweisen. Oder muss auf ein notwendigerweise reduktionistisches Gegenmodell rekurriert werden, etwa Monades „socialisme ou barbarie“, dem Solodebut der Stereolab-Sängerin Laetitia Sadier? Ersteres scheint gegenwärtig nur möglich mit der Einnahme einer wie auch immer gearteten Soulposition, aus der es spricht: Ja, ich liebe; ja, ich gehe zugrunde; ja, ich leide; ja, ich fliege. In einigen Hallräumen der Erinnerung klingt das bei Niobe schon an, ein Titel heißt schließlich „always pointing skywards“.

Ein merkwürdiger, organischer Flow
„Skywards“ war Tujiko Noriko schon auf ihrer letztjährigen Mego-CD „Make Me Hard“ unterwegs. Aus lauter digital verhackstückten Fragmenten, die sich in noisig-melodischen Klangschichten unendlich überlagern, schält sich ihre klare, naive und leicht melancholische Stimme heraus. Wo das überkomplexe Sounddesign verstört, stiftet ihr Gesang Zusammenhang. Aus der Reibung zwischen digitaler Roughness und analoger Zartheit entstand so ein merkwürdig organischer Flow, der dem lieben Gott so gut gefiel, dass er Funken der Verzauberung öber dem Märchenwald des Pop verspröhte. Wie von mythischen Instanzen beschützt, klingt Tujiko Norikos charmanter Gesang auch wieder auf „From Tokyo To Naiagara“. Dieser Eindruck wird durch ihre skurrilen Texte über Roboterhelden, den „Tokyo Tower“ oder Reisen auf Raketen noch verstärkt.
Das Sounddesign ist auf ihrem neuen Album deutlich transparenter gestaltet. Die Glitch-Sounds treten in den Hintergrund, wo sie auf konventionelle Instrumente wie Piano, Bläser oder Streicher (bzw. deren Simulationen) treffen und von eher langsamen elektronischen Beats angeschoben werden. Norikos Geräuschästhetik zielt nicht mehr auf Überraschungseffekte, sondert besitzt eine dramaturgische Funktion - als elektro-akustische Illustration des Textsinns. Zweifelsohne verbergen sich in diesem Ambiente einige großartige Songs. Wenn Tujiko Noriko schließlich im Duett und Chor mit sich selbst singt, dann klingt das allerdings nicht nach einer Simulation von Vielstimmigkeit, die die Idee von Kollektivität (wie bei Niobe) aufruft, sondern nach narzistischer Verfielfältigung des Ego. Damit kommt sie Björk sehr nahe, ohne deren positive Aggressivität zu erreichen.

Diskographische Hinweise
Niobe - Tse Tse (Sonig)
Tujiko Noriko - From Tokyo To Naiagara (Tomlab), VÖ: 10. Juni