Keine Lust auf Azubi A und Zahnärztin Z: Maximilian Oehl | Foto: Manfred Wegener

Juristen ohne Grenzen

Bei der »Refugee Law Clinic Cologne« beraten Jura-Studenten kostenlos Flüchtlinge

Nach fünf Semestern Jura schlichen sich bei Maximilian Oehl Zweifel ein. Ständig paukte er Beispielfälle aus dem Zivil- und Strafrecht: Azubi A trägt einen Konflikt mit Großhändler G aus, Zahnärztin Z hat Ärger mit ihrem Vermieter V. Oehls erstes Staatsexamen rückte näher, aber bevor er sich immer tiefer in seine Bücher vergrub, wollte er wissen, was er da eigentlich lernte. Und vor allem, für wen.

 

»Ich hatte immer das Gefühl, irgend etwas komme zu kurz«, sagt der 25-Jährige. »Ich hätte nicht sagen können, so ein Jurist will ich werden.« Mittlerweile sind Oehls Vorstellungen klarer geworden: Im März vergangenen Jahres gründete er die »Refugee Law Clinic Cologne« (RLCC), eine kostenfreie studentische Rechtsberatung für Flüchtlinge, Asylbewerber und Ausländer.

 

Unter seinen Kommilitonen machte Oehl sich auf die Suche nach Mitstreitern. »Ich habe über verschiedene Verteiler geschrieben, nach interessierten Leuten gesucht und erste Treffen organisiert.« Die Idee kam an. Zwei Wochen nach dem ersten Treffen wurde die RLCC ins Vereinsregister eingetragen. »Wir wollten nicht lange warten, sondern den Anfangs-Elan nutzen und sofort loslegen«, erinnert sich Oehl.

 

Seit beinahe einem Jahr betreibt Oehl nun die RLCC. In der Sprechstunde im Flüchtlingswohnheim Kyffhäuser Straße, die einmal wöchentlich angeboten wird, treffen die angehenden Juristen dann erstmals auf ihre Mandanten. »Viele wenden sich aus Sorge um eine mögliche Abschiebung an uns«, so Oehl. »Andere leben getrennt von ihren Familienangehörigen und hoffen auf ein baldiges Wiedersehen mit Kindern und Partnern.«

 

Oehl erinnert sich noch an seinen ersten Mandanten. »Da ging es um einen Pflegegeldanspruch. Ein junger Mann aus dem Iran, der sich hier in Deutschland um seine kranke Mutter kümmert.« Die Behörden hatten sich quergestellt, doch mit Hilfe der Jura-Studenten konnte der Mann seinen Anspruch bald geltend machen.

 

Neben der juristischen Beratung und der Begleitung bei Behördengängen ist den RLCC-Mitgliedern aber auch das Zwischenmenschliche wichtig. »Wir wollen uns in der Sprechstunde Zeit zum Zuhören nehmen«, sagt Oehl. »Wir wollen die Leute willkommen heißen.« Das Angebot, so Oehl, findet Anklang. »Ich habe den Eindruck, dass die Flüchtlinge sich sehr freuen, dass junge Menschen Inte­resse an ihrer Geschichte zeigen und versuchen, gemeinsam mit ihnen etwas Positives zu bewirken.«

 

Das Konzept der »Law Clinics« ist in den USA seit vielen Jahren weit verbreitet. In Deutschland sind kostenlose rechtliche Beratungen jedoch überhaupt erst erlaubt, seit 2008 das Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen eingeführt wurde. Gemäß Paragraf sechs, Absatz zwei des Gesetzes, müssen unentgeltliche Rechtsleistungen unter Anleitung von Volljuristen erbracht werden. »Wir lassen daher eigentlich all unsere Schreiben, die an die Behörden gehen, noch einmal gegenlesen«, sagt Oehl. »Sobald ein Verfahren im Raum steht oder es vor Gericht geht, geben wir den Fall komplett in die Hände eines Volljuristen.«

 

Da Asyl- und Ausländerrecht nicht in ihrem Lehrplan steht, organisieren die Kölner Jurastudenten regelmäßige Schulungen zu den wesentlichen Inhalten und Rechtsgrundlagen. Die Teilnahme ist eine wichtige Voraussetzung, um Mi­granten im Rahmen der RLCC überhaupt beraten zu dürfen.

 

Die erste deutsche »Refugee Law Clinic« wurde 2008 an der Universität Gießen gegründet. Die Initiative ging dort von einem Rechtsprofessor aus. Im Gegensatz dazu startete die Kölner RLCC als rein studentisches Projekt. Die Unterstützung der Fakultät musste Oehl sich erst erarbeiten. »In den Vorgesprächen war das Feedback zwar grundsätzlich positiv, allerdings gab es auch Bedenken, was die Nachhaltigkeit des Projektes betrifft.«

 

Mittlerweile hat die RLCC rund 100 Mitglieder. Die Resonanz ist groß, jede Woche nehmen die Studenten zwei bis drei neue Fälle an. Wegen des starken Interesses will die RLCC ihr Angebot schon bald erweitern. Wöchentliche Sprechstunden sollen dann auch in Kalk und Poll eingerichtet werden.