Lieber nicht

Nachwuchsregisseur Matthias Köhler spendiert Neinsager Bartleby ein Comeback auf der Bühne

Herman Melville hat nicht nur den Welterfolg Moby Dick geschrieben. Auch die Erzählung »Bartleby, der Schreiber« aus dem Jahr 1853 stammt aus seiner Feder. Von der Geschichte des widerspenstigen Kopisten in einer Anwaltskanzlei an der Wallstreet nahm man eigentlich an, sie sei längst auserzählt. Die Figur des radikalen Neinsagers wurde bereits in vielen Theaterprogrammheften und im Feuilleton zitiert: »I would prefer not to.« Doch Verweigerung als subversiver Akt scheint den Zeitgeist zu treffen. Neben der Occupy-Bewegung ist das symbolkräftigste Beispiel gegenwärtig wohl der »Standing Man« auf dem Taksim Platz in Istanbul, der einfach auf derselben Stelle stehen blieb. Erfreulich also, dass man den Stoff nun auch auf der Bühne sehen kann. 

 

Die Regiearbeit von Matthias Köhler ist Auftakt einer Reihe des Schauspiel Köln mit dem Titel »Werkstücke«. In unregelmäßigen Abständen erhalten hauseigene Regieassistenten Gelegenheit, sich mit ersten Projekten dem Publikum zu zeigen. Spielort ist die Grotte im Carlsgarten — ein karg ausgeleuchteter Container unter dem Grashügel vor dem Depot. Die Zuschauer sitzen in dieser recht tristen Umgebung auf Bierbänken. Wo nicht viel ist, kann dennoch viel geschehen. 

 

Im grauen Dreiteiler erzählt der Anwalt, gespielt von Yuri Englert, die Geschichte um den Schreiber, der eines Tages selbst einfachste Arbeitsaufträge verweigert, mit eben jenem lakonischem Satz: »Ich möchte lieber nicht.« Trotz aller Renitenz setzt ihn sein Chef, der Anwalt, nicht vor die Tür. Vielmehr rührt und verstört ihn Bartlebys sanfter Nihilimus zugleich. 

 

Diese Innenansicht des Anwalts ist ein Faszinosum: wie er um Fassung ringt, nach Erklärungen für das eigene Verhalten sucht und dabei doch nur hilflos vor der eigenen Ratlosigkeit steht. Yuri Englert setzt das emotionale Dilemma hinreißend und auf den Punkt um. Seine Augen irren im Raum umher, er scheint eingeschüchtert, traut seinem Urteilsvermögen nicht und spricht folgerichtig den Text in einer Art suchender Ungläubigkeit. Wohldosiert bricht immer wieder Wut in sein Spiel. Neben den Monologpassagen wechselt Englert auch ins Szenische: Er schlüpft in mehrere Rollen, bespielt dialogisch den Bühnenausgang, als wäre er der Wandschirm, hinter dem Bartleby sitzt, oder er macht Luftballons zu Statisten.

 

Insgesamt kommt der Nachwuchsregisseur jedoch mit wenigen Kunstgriffen aus, was dem starken Text und dem großartigen Schauspieler zugute kommt.
Matthias Köhler gelingt mit seinem Debüt ein überaus kurzweiliges Stück Erzähltheater.