Foto: Manfred Wegener

Kunst und Kultur: Beinharter Realismus

Wer heute den ersten Kölner Kulturentwicklungsplan (KEP) mit seiner Bestandsaufnahme von 2008 liest, wähnt sich in der guten alten Zeit. Damals wurde der Kulturetat noch erhöht, die Theater sorgten für Aufsehen und das Stadtarchiv stand noch. Heute geht es fast nur noch um Millionenbeträge, die nicht da sind, aber ausgegeben werden müssen: für Sanierungen und Neubauten. Insofern ist zu verstehen, dass fast alle Parteien auf eine Fortschreibung des Kulturentwicklungsplans drängen — unter Maßgabe der veränderten Realität.

 

Doch wohin der Zug fährt, darüber gehen die Meinungen weit auseinander. So möchte Brigitta von Bülow, kulturpolitische Sprecherin der Grünen, mehr konkrete Handlungsanweisungen, darüber hinaus soll die Trennung in Sparten wie Musik, Bildende Kunst oder Theater zugunsten »spartenübergreifender« Prioritäten aufgehoben werden. Im Gegensatz dazu setzen FDP und vor allem CDU auf die deutliche Hervorhebung einer Sparte. » Köln muss sich bei der Musik stärker profilieren«, sagt Ralph Elster, kulturpolitischer Sprecher der CDU, vor allem bei der Alten Musik samt dazugehörigem Festival. Oder nochmal anders: »Ein großes Thema ist für uns ein umfassenderer Kulturbegriff bis in die Clubszene hinein«, sagt Thor Zimmermann von »Deine Freunde«. Die SPD setzt sich von all dem ab und möchte den sozialpolitischen Aspekt der Kultur herausarbeiten. »Wir wollen das Element stärken, wo es um Teilhabe geht«, sagt Gabriele Hammelrath. Die stellvertretende Vorsitzende der Kölner SPD stammt aus der Weiterbildung. Das ist nicht nur den Änderungswünschen im KEP, sondern auch dem von ihr verfassten Programm der SPD für die Kommunalwahl deutlich anzumerken: Da taucht der Begriff »Kultur für alle« auf, der Kulturellen Bildung ist ein langer Abschnitt gewidmet und vor allem die Belebung der Kultur in den Veedeln ist Gabriele Hammelrath ganz wichtig. 

 

Einer der Lieblingsspielplätze der Politik ist die Freie Szene, weil sich dort mit wenig Geld große Glücksgefühle und Dankbarkeit hervorrufen lassen. 1,5 Millionen Euro bekommen die Bühnen der Stadt Köln einmalig für die Eröffnungsspielzeit 2015 /2016 im sanierten Haus , das Kölner Künstlertheater hingegen bekam zum Einstand in seiner neuen Spielstätte am Ehrenfeldgürtel 20.000 Euro. 1,3 Prozent — das markiert das Verhältnis zwischen institutionellem und freiem Theater in Köln. Das sich daran was ändern muss, denken (fast) alle. Die Linke geht am weitesten: »Die Kulturschaffenden der Freien Szene sollen den Mindestlohn erhalten«, sagt Gisela Stahlhofen. Dazu muss die Förderung der Szene drastisch erhöht werden. Das wäre mit CDU und FDP sofort zu machen. Beide Parteien fordern die Anhebung auf satte zehn Prozent des Etats der Städtischen Bühnen, was immerhin 5,2 Millionen Euro bedeuten würde und auf eine Verdoppelung der jetzigen Förderung der Freien Szene hinauslief. Die SPD dagegen sorgt auch hier für eine Überraschung: Kein eigener Abschnitt für die Freie Szene im Wahlprogramm, sie taucht hie und da auf, z.B. bei Infrastrukturfragen. Dafür liest man den knackigen Satz: »In den letzten Jahren wurde die Förderung für die Freie Szene deutlich erhöht. Jetzt kommt es darauf an, im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung alle Möglichkeiten für mehr Planungssicherheit zu nutzen.« Mehr Geld gäbe es nicht, sagt denn auch Gabriele Hammelrath, dafür will man sich für mehr Planungssicherheit durch frühere Mittelfreigabe einsetzen. Überhaupt zeigt sich im SPD-Programm ein beinharter finanzieller Realismus, der den Kulturinstitutionen zwar eine stabile Basis verspricht, aber auch »neue Gestaltungsmöglichkeiten in der Finanzierungsstruktur« oder »Beweglichkeit in der Akquise und Verwendung der Mittel« anempfiehlt. 

 

Die freie Theaterszene wird für ihre Vielgestaltigkeit gelobt, das sorgt allerdings für harte Verteilungskämpfe bei gleichbleibendem Etat. Mit gemischten Gefühlen ist zuletzt die Idee eines Produktionshauses diskutiert worden, für das das Land wahrscheinlich Geld bereitstellen würde. Die Grünen wollen nicht nur die Orangerie als Spielstätte sanieren, sie wollen auch das Produktionshaus. »Das soll innerhalb von sechs Jahren kommen«, sagt von Bülow — durch Umschichtung im Etat. Die FDP setzt noch einen drauf und will ein eigenes »Center of Performing Arts« durch Steigerung des Haushaltsansatzes. Die Kosten sind aber nicht nur finanzielle. Genau das bereitet Gisela Stahlhofen von der Linken, auch wenn sie den Wunsch » Produktionshaus« teilt, heftige Bauchschmerzen: »Für kleine Theater beginnt damit das Sterben«. Deshalb müsse die Diskussion darüber viel breiter als bisher in der Szene geführt wird. Großer Knackpunkt ist der enorme Bedarf an bezahlbaren Proberäumen, Ateliers, Clubräumen. Da regiert dann die ganz große GroKo: Fast alle Parteien befürworten die Zwischennutzung leerstehender Gebäude und plädieren für einen besseren Austausch der Verwaltungsbereiche. 

 

Zu den am heftigsten gebeutelten Sparten zählte zuletzt der Tanz. Die immer neuen Sparrunden haben eine der avanciertesten Kunstformen in Köln regelrecht marginalisiert. Viele Fürsprecher hat er auch heute nicht mehr: Für eine eigene Compagnie an den Bühnen macht sich nur noch die CDU stark. Rot-Grün und auch der FDP, nimmt man ihre Programme beim Wort,  reicht ein Gastspielprogramm. Eine vergleichbare Distanz, wenn auch auf anderem Niveau, herrscht auch gegenüber der Bildenden Kunst.  Beide Volksparteien haben eine klare Präferenz für die Musik.  Da fällt das Durchbuchstabieren von Clubkultur bis Zentrum für Alte Musik ganz leicht. »In keinem anderen Bereich«, so Gabriele Hammelrath (SPD), »ist die Kreativitätsspanne so groß«. Bildende Kunst wird meist in Kategorien der Museumssanierung oder Strukturfragen abgehandelt. So dringt Hammelrath vor allem auf eine »Weiterentwicklung des Museumskonzepts«, ohne zu konkretisieren, was das heißt. Bei den Konservativen geht es immerhin auch um eine Anhebung der Ausstellungsetats — aber Bildende Kunst, das wird unterschwellig deutlich, ist vor allem Pflege des Bestands.

 

Sparen soll die Kultur natürlich nicht. FDP und CDU fordern sogar eine Erhöhung des Kulturetats — woher das Geld kommen soll, bleibt trotzdem die Frage. Ralph Elster (CDU) möchte — im Gegensatz zu Rot-Grün — das Projekt Archäologische Zone/Jüdisches Museum in der großen Form beerdigen. Dem kann sich auch Thor Zimmermann von »Deine Freunde« anschließen, er könnte sich auch die Zusammenlegung der Opern von Bonn und Köln vorstellen.  Die Grünen sehen dagegen Sparpotentiale nur bei den Energiekosten der Institutionen — viel dürfte mit all dem nicht zu holen sein. Und so blicken denn alle Parteien erwartungsfroh nach Düsseldorf: Das Land soll es richten. 

 

Die Politik wurde in der Kulturverwaltung zuletzt mit zwei neuen Akteuren konfrontiert: Kulturdezernentin Susanne Laugwitz--Aulbach und Kultur-amtsleiterin Barbara Förster. Der Wunsch nach einem entspannten Umgang wurde allerdings nicht erfüllt. Laugwitz-Aulbachs zupackender und bestimmender Stil kam zunächst gut an, führte aber bald auch zu Irritationen, die sich in Auseinandersetzungen im Kulturausschuss entluden. Die Berufung von Francois Xavier Roth als Generalmusikdirektor dürfte ihr jetzt allerdings etwas Luft verschaffen. Barbara Förster, die im Kulturamt zuvor für Bildende Kunst und Film zuständig war, wünschen die Parteien alles nur erdenklich Gute, manche sehen darin auch eine Chance. Doch die Skepsis ist unüberhörbar. Försters mangelnde Verwaltungserfahrung wird kritisiert, Zweifel an ihrer Durchsetzungsfähigkeit erhoben. Man befürchtet Spannungen mit anderen Mitarbeitern des Amtes und sieht sie nicht auf Augenhöhe mit ihrem Vorgänger Konrad Schmidt-Werthern. Es ist die Sorge spürbar, dass die kulturpolitischen Vorhaben der nächsten Jahre Schaden nehmen könnten, sollte die neue Leiterin nicht schnell an Statur gewinnen. Statur wäre aber auch notwendig, um der Politik Paroli zu bieten. 

 

Thema der nächsten Folge #4: Wohnungspolitik