Hetze als Geschäftsmodell

Eine Broschüre beleuchet die rechtsextreme Pro-Bewegung

 

Begegnungen mit Aktivisten von Pro NRW sind zwiespältige Erfahrungen: Auf der einen Seite fällt es schwer, einen Mann mit Schlumpfmütze wie den Gelsenkirchener Pro-Ratsherren Kevin Gareth Hauer oder einen gebräunten Wirrkopf wie seinen Kölner Kollegen Jörg Uckermann ernst zu nehmen. Auf der anderen Seite sind viele von ihnen aggressive Hetzer mit Nazi-Vergangenheit und Kontakten in die rechtsextreme Szene. Besonders der Pro-Führer Markus Beisicht kennt kaum eine Grenze, um doch noch ein wenig Aufmerksamkeit auf sich und seine Truppe zu ziehen. »Markus Beisicht ist ein klassischer Rechtsextremist«, sagt der Pro NRW-Aussteiger Andreas Molau.   

 

Pro NRW ist ein Phänomen: Polit-Desperados, die sich bürgerlich geben, ein Trupp von vermeintlichen Saubermännern und Verteidigern des Grundgesetzes, von denen nicht wenige immer wieder in Konflikt mit der Justiz geraten. Jetzt widmet sich eine neue Broschüre auf 142 Seiten der Organisation, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingeordnet und beobachtet wird. In dem Sammelband »33 Fragen und Antworten zu Pro Köln/Pro NRW« rechnet etwa der Journalist Pascal Beucker vor, dass Pro NRW in der laufenden Wahlperiode in den Städten zahlreiche Mandate verloren hat und eigentlich nur in Köln und Leverkusen, dem Wohnsitz von Beisicht, über stabile Strukturen verfügt. In Dormagen und Gelsenkirchen gibt es längst keine Fraktionen mehr, in den Kreistagen des Kreises Lippe und des Rheinisch-Bergischen Kreises auch nicht. Pro NRW ist wie ein backenblasender Zwerg: Großspurig wird von einem Pro-NRW-Effekt auf andere Parteien und gar die Landesregierung fabuliert. Und natürlich fegt auch mal »ein Orkan« durch eine Stadt, in der Pro NRW seine Beteiligung an einer Wahl bekannt gibt. In Wirklichkeit aber besteht der triste Alltag der Partei und ihrer Mitglieder aus Streit, Versagen und Missachtung durch den politischen Gegner.

 

Interessant sind auch die Beiträge zur Geschichte von Pro NRW. Sie belegen die Herkunft vieler Protagonisten aus anderen Parteien und Organisationen wie der NPD, den Republikanern und der »Deutschen Liga für Volk und Heimat«, dem unmittelbaren Vorläufer von Pro Köln, bei dem auch schon Markus Beisicht aktiv war. 

 

An einer Stelle aber wäre mehr drin gewesen: Dass auf dem Blog Freiheitlich, der Pro NRW nahesteht und auf dem Pro-Funktionäre ausführlich zu Wort kommen, der bundesweit bekannte Neonazi Christian Worch seit Jahren zu den Stammkommentatoren zählt, ist eine wichtige Information. Diese aber fehlt zum Beispiel in dem Beitrag, in dem es um das Verhältnis der Pro-Aktivisten zur Nazi-Szene geht.  

 

Wie wichtig Public Relations bei fast allem ist, was Pro NRW tut, wird vor allem in dem Beitrag von Michael Klarmann über die geplante Teilnahme von Pro NRW am Cologne Pride im vergangenen Jahr deutlich. Mal gibt sich die Partei einen sozialen Anstrich, mal ist sie wirtschaftsnah, mal sind das Übel die Muslime, dann wieder Roma und Asylbewerber. Pro NRW setzt immer auf das vermeintliche Populäre ist eine Ressentiment-Vermarktungsmaschine — Hetze als Kern des politischen Geschäftsmodells. Mit dieser Hetze müssen sich alle auseinandersetzen, die im Wahlkampf mit Pro NRW oder Pro Köln zu tun haben werden: Schüler, Lehrer, Kommunalpolitiker und Menschen, in deren Nachbarschaft die Gruppe ihre Propaganda verbreitet. 

 

»33 Fragen und Antworten zu Pro Köln/Pro NRW« widerlegt anhand von kurzen Texten die Argumente von Pro NRW und zeigt Möglichkeiten des Widerstandes auf — zum Beispiel für den Fall, dass an Schulen Propagandamaterial verteilt wird. Auch für Vermieter gibt es Hinweise, wie sie sich davor schützen können, dass Pro-NRW bei ihnen Räume anmietet. Oft ist das ganz simpel. Zum Beispiel, indem im Vertrag ausgeschlossen wird, dass Veranstaltungen mit rassistischen Inhalten durchgeführt werden. Hat ein Mittelsmann von Pro NRW einen Vertrag unterschrieben, in dem ausdrücklich die Weitergabe des Raums an Dritte untersagt wurde, kann nicht nur die Veranstaltung verhindert, auch Vertragsstrafen könnten fällig werden — der Raum stand ja für eine kommerzielle Nutzung nicht zur Verfügung.

 

Diese Broschüre liefert nicht nur Hintergrundinformationen, sondern ist auch eine praktische Anleitung, wie man sich gegen rassistische Hetze und deren Verbreitung wehren kann. Bei den NRW-Kommunalwahlen am 25. Mai will Pro NRW die Zahl seiner Mandate auf 200 vervielfachen. Auch wenn da der Wunsch Vater des Gedankens sein dürfte, bleibt die Hetzpartei gefährlich. Nicht nur im Wahlkampf.

Dominik Clemens/Hendrik Puls (Hg.): 33 Fragen und Antworten zu Pro Köln/Pro NRW. Entwicklung, Ideologie und Strategien einer vermeintlichen Bürgerbewegung, 142 Seiten. Die Broschüre kann für 5 Euro zzgl. Versandkosten 

beim NS-DOK bestellt werden.
E-Mail: ibs@stadt-koeln.de