Abseits der Bühne: Keupstraße in Mülheim | Fotos/Montage: Joachim Römer

Mobilisierung nach München

Die Initiative »Keupstraße ist überall« reist zum NSU-Prozess

Peter Bach hat in seinem Leben schon einige Flugblätter verteilt. Eine Erfahrung wie an jenem Tag in der Keupstraße, als er und seine Mitstreiter die erste Ausgabe des »Keupstraßenkuriers« verteilten, hat er dabei noch nicht gemacht. »Schon in der Moschee gab’s eine riesige Tüte Trauben, später in den Cafés noch Baklava und Tee. Das war auch für einen alten Flugblattverteiler wie mich toll«, sagt er.

 


Bach engagiert sich in der Inititative »Keupstraße ist überall«. Seit November 2011 trifft sich die Mülheimer Gruppe, um Anwohner und Opfer des NSU-Anschlags 2004 zu unterstützen. Neben regelmäßigen Veranstaltungen, bei denen Prozessbeobachter und Rechtsanwälte zu Wort kommen oder Filme gezeigt werden, ist der »Keupstraßenkurier«, ein vierseitiger Flyer mit Informationen zum NSU-Prozess in München und Aktionen vor Ort in Mülheim eine der Aktivitäten der Gruppe. Zwei Ausgaben gab es bisher, die dritte soll voraussichtlich Anfang April veröffentlicht werden.

 


Anfang April sollte ursprünglich auch der Anschlag an der Keup­straße beim NSU-Prozess in München verhandelt werden. Durch Verzögerungen wird es nun später werden. »Das kann sich eventuell sogar noch bis Juli hinziehen«, schätzt Alexander Hoffmann. Der Rechtsanwalt vertritt in München ein Opfer des Keupstraßen­anschlags.

 


Auch die Initiative möchte in München vor Ort sein, wenn die Keupstraße dort auf dem Programm steht. »Wir wollen Präsenz zeigen und die Betroffenen unterstützen«, sagt Daniel Poštrak. Rechtsanwalt Hoffmann begrüßt diese Bestrebungen. Viele der Opfer, die als Nebenkläger auftreten, hätten Angst, noch einmal zu erleben, was sie nach dem Anschlag aushalten mussten: Verdächtigungen von seiten der Polizei, Arroganz der Behörden, das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden. »Es ist gut, dass der Stadtteil gemeinsam aufzutreten versucht«, so Hoffmann.

 


Für ihn spielt die Keupstraße eine nicht unerhebliche Rolle im Rahmen des NSU-Prozesses. »Die Dimensionen sind immens. Es gibt eine große Anzahl Betroffener. Und dann ist das Ausmaß der staatlichen Ignoranz gegenüber der fremdenfeindlichen Absicht bemerkenswert«, so Hoffmann. Auch darum gehe es beim Prozess: »Ich hoffe, möglichst viel über staatliche Verstrickungen und institutionellen Rassismus herauszufinden. Denn gerade da kann man durch Gesetzesänderungen konkret etwas ändern.«

 


Diese Ansicht teilen auch die Aktivisten der Initiative, und wollen mit ihrer Teilnahme beim Prozess auch Öffentlichkeit schaffen für das, was in München passiert. Sie haben einen Aufruf an antirassistische Initiativen in jenen Städten verschickt, in denen der NSU Anschläge verübte. »Wir wollen, dass viele diesen Prozess miterleben. Das ist gesellschaftlich wichtig«, so Bach. Bereits am 31. März wird es in München eine große Mobilisierungsveranstaltung geben, auch dorthin werden Menschen aus Köln fahren. »Ein Ziel des Nagelbombenanschlags war es, die Menschen in der Keupstraße zu isolieren«, so Poštrak. »Wir wollen in München ein offensives Zeichen setzen und zeigen, dass das Attentat sein Ziel nicht nachhaltig erreicht hat, indem wir gemeinsam als Keupstraße präsent sind. Denn dieser Anschlag hat nicht nur die Menschen in der Keupstraße getroffen. Es war ein Angriff auf ein Gesellschaftsmodell, das ­Migration als gesellschaftliche ­Realität explizit anerkennt.«

 


Konkret mobilisiert die Initiative zu einem Aktionstag am Münchener Gericht. Man will am ersten Tag, an dem die Keupstraße verhandelt wird, unter anderem mit einer Demonstration sichtbar werden sowie mit vielen Menschen den Prozess besuchen. Darüber hinaus sollen an allen Gerichtstagen Unterstützer vor Ort sein, um den Nebenklägern Rückhalt zu geben.

 


Unterstützung anderer Art kommt vom Kölner Schauspiel: Regisseur Nuran David Calis und Dramaturg Thomas Laue planen zum Jahrestag des Anschlags im Juni ein Stück über die Keupstraße. Schauspieler sollen gemeinsam mit Anwohnern auf der Bühne stehen. »Ein Hybrid aus Dokumentartheater, Fiktion und Stadtteilprojekt«, so Laue. Abseits von der Bühne möchte man die Zuschauer dabei auch mit in die Keupstraße nehmen. »Es ist nicht Sinn der Sache, mit dem Auto nach Mülheim zu fahren, ins Theater zu gehen, sich ein Stück über die Keup­strasse anzuschauen und dann direkt wieder heim nach Lindenthal zu fahren«, so Laue.



»Die Keupstraße kommt nach München«, 31.3.2014, Gewerkschaftshaus München
»Die Lücke – Ein Stück Keupstraße«, 9.6.2014, Depot 1, Mülheim


Spenden für die Initiative können auf das Konto der VVN Köln, Konto 11 30 46 90 00, BLZ 500 333 00, überwiesen werden. Kennwort »Keupstraßensolidarität«.


Weitere Informationen unter keupstrasse-ist-ueberall.de