Kommense rein, könnense rausschmeißen: GAG-Wohnungen am Höninger Weg | Foto: Manfred Wegener

Zermürbende Kämpfe

Das Mietrecht ist der Hintergrund, vor dem die Kölner Wohnungskämpfe ausgetragen werden

Mit einem Schock endete für die Mieter der Robertstraße 12 der Monat März: Ihr Haus sollte am 26. März versteigert werden. Sie wollten es dem »Mietshäusersyndikat« zuführen, indem sie es selbst ersteigerten. Aber einen Tag vorher wurde die Versteigerung abgesagt. Die Erbengemeinschaft hatte sich mit einem Investor geeinigt. Für die Bewohner eine gute und schlechte Nachricht zugleich. Die gute: Sie müssen nicht ausziehen. »Bei einem Eigentümerwechsel bleiben bestehende Mietverträge unberührt«, erklärt Rechtsanwalt Sven Tamer Forst. Die schlechte Nachricht: Es war legal, die Mieter bei dem Kauf zu übergehen. »Nur wenn einzelne Eigentumswoh­nungen verkauft werden, haben die Mieter ein Vorkaufsrecht — nicht bei gesamten Mietshäusern«, so Forst.

 

Das Mietrecht ist die Geschichte im Hintergrund bei allen Mietkämpfen, nicht nur in Köln. Die Vorbedingungen sind gar nicht schlecht: Im europäischen Vergleich sind Mieter in Deutschland gut geschützt — so gut, dass sie selbst dann ihre Wohnung nicht zwangsläufig verlieren, wenn ein Gericht erlaubt hat, ihr Haus abzureißen.

 

So ist es zumindest in den Häusern an der Pfälzer Straße 12-14.  Anfang 2012 wechselte der Eigentümer der beiden Mietshäuser. »Der neue Besitzer kam an und fragte: ›Was ist denn hier los?‹«, erzählt Sarah Fürchtegott (Name geändert). »Dann hat er die Mieten erhöht, aber nichts am Haus gemacht.« Die Häuser sind alte Mietshäuser, die von den Vorbesitzern stark vernachlässigt wurden. Der neue Vermieter will sie deshalb abreißen und durch einen Neubau ersetzen. Damit stößt er auf den Widerstand der Mieter. »Klar, das Haus ist in schlechtem Zustand«, sagt Sarah Fürchtegott. »Aber für diese Miete bekomme ich keine andere Wohnung hier.« Für den neuen Eigentümer wird es trotz der Abrissgenehmigung schwierig, die verbleibenden Mieter aus ihren Wohnungen zu werfen. »Der Hauseigentümer müsste vor Gericht enorme finanzielle Nachteile geltend machen, damit er bestehende Mietverträge auflösen darf«, erklärt Rechtsanwalt Forst. Daher setze der neue Vermieter auf Zermürbung. »In manchen Wohnungen sind jetzt Montagetrupps«, berichtet Sarah Fürchtegott. »Da wohnen sechs Leute auf 50 Quadratmetern, und unser Haus ist sehr hellhörig.« Sie selbst ist skeptisch, wie lange sie den Konflikt noch ertrage: »Irgend­­wann überlegt man sich, ob man sein ganzes Leben mit dem Kampf um die eigene Wohnung verbringen will«, erzählt sie und fährt fort: »Letztens stand der Kalle hier vorm Haus und sah ziemlich fertig aus.«

 

»Der Kalle«, das ist Karl-Heinz Gerigk, derzeit Kölns prominenster Mietkämpfer. Gerigk muss seine Wohnung im Agnesviertel aufgrund einer Eigenbedarfsklage verlassen, obwohl sie bereits im Internet zum Verkauf angeboten worden war. Das Gericht gab jedoch dem Vermieter Recht. »Die beiden Lebensgefährtinnen haben für das Gericht glaubhaft beteuert, dass sie dort einziehen wollen«, erklärt Gerigks Anwalt Eberhard Reinecke.

 

Der Fall ist exemplarisch. Die Eigenbedarfsklage ist in den vergangenen Jahren zum beliebten Instrument geworden, um Mieter aus ihren Wohnungen zu klagen. »Der neueste Trick ist es, Eigenbedarf anzumelden, weil eine Wohnung zum Büro umgewandelt werden soll«, erzählt ­Reinecke. Wehren kann man sich trotzdem. »Wichtig ist, dass man die erste Reaktion auf die Eigenbedarfsklage möglichst lang hinauszögert«, meint auch Rechtsanwalt Forst. So könne man zum einen länger in der eigenen Wohnung bleiben und zum anderen die Chance erhöhen, vom Vermieter eine Entschädigung oder Umzugshilfe zu erhalten.   
Was sich bei der Eigenbedarfsklage andeutet, zeigt sich bei den Kosten für die energetische Sanierung noch deutlicher. »Die Rechtsprechung ist in den letzten Jahren mieterunfreundlicher geworden«, so Sven Tamer Forst. Laut Gesetz ist es legal, die Kosten für eine solche Sanierung umzulegen, wenn sie nachweisbar ökologisch sinnvoll ist. Deshalb kommt es gerade dabei immer wieder zum Streit. Zum Beispiel am Höninger Weg in Zollstock. Dort will die städtische Wohnungsgesellschaft GAG Wohnblöcke sanieren und neben der Außendämmung auch die Fenster erneuern. Letzteres sorgt für Kritik bei den Mietern, denn die jetzigen Fenster sind gerade einmal 15 Jahre alt. »Wenn wir sie jetzt nicht erneuern, dann müssen wir in zehn Jahren wieder an die Fassade«, meint GAG-Sprecher Jörg Fleischer. Überhaupt sei man den Mietern mit einer individuellen Härtefallregelung entgegengekommen und habe die Mietsteigerung auf drei Euro pro Quadratmeter begrenzt. Die Durchschnittsmiete am Höninger Weg wird trotzdem steigen — von 6,81 auf 8,51 Euro pro Quadratmeter. Eine finanzielle Erleichterung für die Mieter wären die zehn Jahre Aufschub daher schon, gibt auch GAG-Sprecher Fleischer zu. Brigitte Leyendecker hat von einem Architekten ausrechnen lassen, was der Einbau neuer Fenster für ihre 41-Quadratmeter-Wohnung bedeutet: »Ich würde 1,78 Euro im Monat sparen, aber vierzig Euro mehr an Miete bezahlen.« Fleischer meint dagegen: »Es ist schwierig, generelle Einsparungen für die Wohnung zu beziffern.« Aber sind Energieeinsparungen in Höhe von 1,78 Euro auch ökologisch sinnvoll? »Das ist schwierig zu beantworten«, sagt Anwalt Forst. »Für diesen Begriff existieren noch keine endgültigen Kriterien.«

 

Das Gesetz über die energetische Sanierung stammt aus dem Herbst 2013. Die nächste Klagewelle steht erst noch bevor.