Kiffen nur nach Feierabend
Herr Obst, seit 2011 setzen Sie sich für eine Legalisierung von Cannabis ein. Warum?
Wir haben drei bis vier Millionen Cannabiskonsumenten in Deutschland. Das sind keine Leute, die auf der Straße rumhängen und nix mehr von der Welt mitkriegen. Die meisten gehen normal arbeiten und rauchen abends mal einen Joint.
Also halten Sie den Konsum von Haschisch und Marihuana für harmlos?
Dauerkonsum ist grundsätzlich abzulehnen, das sollte man nicht bagatellisieren. Aber Alkohol und Nikotin eben auch nicht. Nikotin ist vom Suchtfaktor mit Heroin vergleichbar. Und als direkte Folge von Alkoholmissbrauch sterben in Deutschland mehr als 70.000 Menschen. Außerdem macht Alkohol aggressiv. Cannabis macht höchstens aggressiv, wenn ein Dauerkonsument jeden Tag raucht und plötzlich nichts da hat. Aber das ist wie bei jeder Sache: Zuviel ist immer schlecht.
Glauben Sie, dass mehr Leute zum Joint greifen, wenn Cannabis legalisiert würde?
Das glaube ich nicht. Cannabis ist genauso eine Gesellschaftsdroge wie Alkohol und Nikotin. Diese Drogen haben sich aber etabliert. Vielleicht kommt kurz ein kleiner Anstieg und dann geht es wieder runter. Cannabis ist leicht zu besorgen, auch wenn es jetzt noch illegal ist. Bei drei bis vier Millionen Kiffern kennt immer irgendwer irgendwen, der was da hat oder was verkauft. Die EU-Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht hat außerdem herausgefunden, dass in Holland der prozentuale Anteil der Jugendlichen, die Cannabis konsumieren, erheblich geringer ist als in Frankreich oder Deutschland, wo es verboten ist. Das ist sehr ungewöhnlich, weil Cannabis in Holland ja viel leichter verfügbar ist. Es ist ja so: Wenn etwas verboten ist, ist es für Jugendliche umso interessanter.
Die Zahlen beweisen ja auch, dass wer kiffen will, der kommt auch an Cannabis ran. Wozu dann überhaupt eine Legalisierung?
Cannabis wird aus Profitgründen oft gestreckt. In Berlin wurde mit Zucker gestreckt, auch Blei und kleine Glasscherben wurden schon gefunden. Deshalb sind Leute ins Krankenhaus gekommen, das ist extrem gesundheitsschädlich. Außerdem möchten wir eine Entkriminalisierung der Konsumenten bewirken.
Die Legalisierung von Cannabis im US-amerikanischen Bundesstaat Colorado Anfang 2014 war ein Erfolg – auch wirtschaftlich. Auch Sie argumentieren ökonomisch gegen ein Cannabisverbot.
In der Tat bringt die Prohibition erhebliche Kosten mit sich. Im vergangenen Jahr gab es bundesweit 150.000 Strafanzeigen wegen Cannabis-Besitz. Das Geld, das der Staat für die Verfolgung von Cannabis-Konsumenten aufwendet, sollte er lieber für die Prävention einsetzen. Man könnte zum Beispiel in Grundschulen auf die Thematik und die Gefahren hinweisen.
Auf Ihrer Webseite sprechen Sie von einer »ungerechten und zum Teil menschenverachtenden Drogenpolitik«. Wie ist das zu verstehen?
Der Verein »Kontrakrebs« aus Wien setzt sich für ein 12-jähriges Mädchen aus Deutschland ein. Das Mädchen leidet unter drei verschiedenen Nervenkrankheiten und der Arzt hat ihr ein THC-haltiges Medikament verschrieben. Aufgrund der Prohibition will die Krankenkasse die 146 Euro pro Woche für das Medikament aber nicht zahlen. Das Menschenrecht auf medizinische Grundversorgung ist hier verletzt. Und eine Frau aus Bayern mit Brustkrebs im Endstadium musste ihr Cannabis, das sie gegen die Schmerzen nahm, im Garten vor der Polizei verstecken. Das ist doch menschenunwürdig.
Cannabis Colonia setzt sich auch für die Einführung sogenannter Cannabis Social Clubs ein. Was wollen Sie damit bezwecken?
Cannabis Social Clubs sollen den Konsum von Cannabis reglementieren. Es gibt eine Altersbegrenzung von 18 Jahren, außerdem eine eigene Anzucht, um den Verbraucherschutz zu gewährleisten. Aber vor allen Dingen würde der organisierten Kriminalität eine wichtige Einnahmequelle entzogen.
Kiffen Sie selber?
Wenn was da ist, rauche ich schon mal. Aber nur abends, nicht tagsüber. Es ist auf jeden Fall schlecht zu kiffen, wenn man sich unterhalten möchte oder eine Rede halten soll. Das ist mir zu anstrengend.
Willie Obst ist 54 Jahre alt. Er kämpft für die Einführung von Cannabis Social Clubs und wollte eine Straße in Chorweiler in Edward-Snowden-Straße umbenennen lassen.