Geschichte wird gemacht
>?Ein Zeitalter wird besichtigt: Zwei Jahrzehnte danach wird der Neuen Deutschen Welle museale Reife bescheinigt. In der Düsseldorfer Kunsthalle konnten im vergangenen Jahr die Devotionalien der Ära bestaunt werden: Flyer, Schallplatten, die alten Korg-Synthesizer u.v.m. Der Suhrkamp-Verlag veröffentlichte Jürgen Teipels umfangreiche Zeitzeugenschrift »Verschwende Deine Jugend«, und jetzt kommt unter dem selben Titel ein Spielfilm in die Kinos. Der Film bezieht sich nicht auf das Buch – auch wenn er es besser getan hätte. Er bezieht sich auf einen Song der Deutsch-Amerikanischen Freundschaft (DAF), der sicher markantesten Formation jener frühen 80er Jahre. Avantgardistischer war eine andere Gruppe, Palais Schaumburg, deren Ex-Mitglied Ralf Hertwig gemeinsam mit Kathrin Richter das Drehbuch für Benjamin Quabeck (»Nichts bereuen«) geschrieben hat.
Im Mittelpunkt steht der 19-jährige Münchener Sparkassenangestellte Harry (Tom Schilling), für den die Welt und die Jugend endlich einen Sinn bekommen, als er DAF live sieht. Ab jetzt will er Musikgeschichte schreiben, will Teil einer Jugendbewegung sein und als Manager die unbekannte dreiköpfige Drei-Akkorde-Band Apollo Schwabing (Robert Stadlober, Jessica Schwarz und Marlon Kittel) ganz weit nach vorne bringen.
Mit Eifer, aber völlig ahnungslos, bucht Harry den Zirkus Krone für ein Festival, dessen Headliner DAF sein soll. Doch die bekommt er kaum ans Telefon, während die Plakate bereits gedruckt sind und die Unkosten explodieren. Die DAF-Darsteller sind prima gecastet und in tolle Lederkombis eingekleidet, auch gibt es viele schöne kleine Ideen und Momente. Doch der Film hat zwei große Probleme: Die Geschichte, die erzählt werden soll, ist dünn und viel zu berechenbar, und die Geschichte, von der er Zeugnis ablegen will, wird viel zu unpräzise wiedergegeben. Wenigstens das hätte sich verhindern lassen mit einem Blick in das gleichnamige Buch, in dem die Zeit, als Punk Deutschland erfasste, bei weitem nicht so brav und lieblich dargestellt wird wie hier im Film, der Punk und New Wave auf Schülerband-Niveau reduziert. Auch viel zu nett und unbedeutend sind die Geschichten der Figuren, Liebeleien in der Provinz und ungeklärte Beziehungen beherrschen die Szenerie. Damit werden sich beide potenziellen Zielgruppen schwer tun: die, die dabei waren und zu viele Fehler bemerken können, und die Jüngeren, die keinen Film brauchen über eine vorgeblich wilde Zeit, die sich als viel artiger als ihre eigene entpuppt.
Verschwende deine Jugend. D 03, R: Benjamin Quabeck, D: Tom Schilling, Robert Stadlober, Jessica Schwarz, 98 Min. Start: 3.7.