Keine Zeugen: Polizeigewahrsam in Köln-Kalk | Foto: Manfred Wegener

»Die Negerin schreit wieder«

Zwei Frauen beschweren sich über die Behandlung im Kölner Polizeigewahrsam

»Ich wollte selber mal zur Polizei. Wenn Freunde mir von unverhältnismäßiger Polizeigewalt erzählten, habe ich die Beamten immer in Schutz genommen«, sagt Anna Weiß*. »Aber dieser Eindruck ist erstmal dahin«, schiebt die 34-Jährige hinterher.

 

Dahin ist der Eindruck seit dem Abend, als der 1. FC Köln mal wieder in die Bundesliga aufstieg. Weiß und ihre Freundin Jana Loos kamen von einer privaten Geburtstagsfeier und schauten danach noch bei den Feierlichkeiten auf den Ringen vorbei. »Die Atmosphäre war locker, es war eine friedliche Aufstiegsfeier«, so Jana Loos.

 

Kabelbinder und mobile Einzelzelle

 

Doch für die beiden änderte sich die friedliche Stimmung. Aufgrund einer Nichtigkeit: Gegen Mitternacht wollte Loos ihre zuvor an der Straße abgelegte Jacke holen und bat die anwesenden Polizisten, dafür eine Polizeiabsperrung überqueren zu dürfen. Doch die Beamten verweigerten ihr den Wunsch. Es entwickelte sich eine Diskussion, die in einem Platzverweis für beide Frauen mündete.

 

»Die haben so streng reagiert, das hat uns zunächst eher amüsiert«, erinnert sich Weiß. Da sie den Platzverweis nicht befolgten und stattdessen weiter mit den Beamten diskutierten, wurden sie festgesetzt. »Wir wurden mit Kabelbindern gefesselt und in mobile Einzelzellen gesteckt. Wir haben immer wieder nachgefragt, was los ist, aber die haben nicht mehr mit uns gesprochen.«

 

Fixiert mit einer Fußfessel

 

Stattdessen wurden die beiden Frauen nach Kalk auf die Wache gebracht. »Für mich ging dann der Albtraum erst so richtig los«, erinnert sich Loos. In der Gewahrsamszelle mussten sie sich samt Unterhose ausziehen lassen. Nicht nur von weiblichen Beamten, sondern auch von Männern. Loos wurde zudem mit einer Fußfessel fixiert. »Ich habe gestrampelt, weil ich richtig Panik bekommen habe«, erzählt die 39-Jährige.

 

Sie ist immer noch spürbar aufgebracht, zittert beim Erzählen. Sie habe Angst vor sexueller Gewalt gehabt. Zudem sei sie rassistisch beleidigt worden, erzählt die junge Frau afrikanischer Abstammung. »Die Negerin schreit wieder«, habe ein Polizist kommentiert. Loos gibt zudem an, sie habe darauf bestanden, sofort einen Anwalt zu sprechen. Darauf sei nicht reagiert worden, sagt sie. Auch die Nennung der Dienstnummern wurde verweigert, so Loos.

 

»Das passiert an Karneval massenweise«

 

Erst gegen fünf Uhr morgens wurden die beiden wieder freigelassen. Sie fuhren direkt ins Krankenhaus und ließen sich ihre Verletzungen bescheinigen. Loos bescheinigte der Arzt »deutliche Agitation mit akut psychischer Instabilität«. Der Vorfall beschäftige sie immer noch, sagt sie. Sie ist weiterhin in psychologischer Behandlung.

 

Beim Ermittlungsausschuss (EA) Köln ist man nicht überrascht. Die linke Rechtshilfe sammelt Fälle von unverhältnismäßiger Polizeigewalt. »Zunächst muss man sagen: Wenn Menschen einem Platzverweis nicht nachkommen, ist eine Gewahrsamnahme möglich. Das ist übliches Prozedere, passiert an Karneval massenweise«, sagt Jan Stahl. Gegen die rassistische Beleidigung könne man indes vorgehen, mit einer Anzeige und einer Dienstaufsichtsbeschwerde. »Auch die Entkleidung von Frauen durch Männer ist rechtswidrig«, weiß Jan Stahl.

 

Im Gewahrsam gibt es keine neutralen Personen

 

Die Erfolgschancen sind indes sehr gering. »Das Grundproblem ist, dass es im Gewahrsam keine neutralen Personen gibt«, so Stahl. Es gibt nur das Opfer, dem eine Vielzahl von Beamten gegenübersteht. Und so wird der Spieß zumeist umgedreht: Anna Weiß und Jana Loos müssen sich nun selbst verantworten. Weiß wird Widerstand gegen Polizeivollzugsbeamte vorgeworfen, Loos die Beleidigung von Polizeibeamten. »Die zeigen uns noch mal, dass sie am längeren Hebel sitzen. Unsere Hilflosigkeit wiederholt sich«, sagt Weiß.

 

Der EA rät trotzdem zum Schritt in die Öffentlichkeit. Die Aktivisten wollen Fälle von Polizeigewalt sammeln und zeigen, dass das Problem systemisch ist. Bislang läuft die Dokumentation indes eher schleppend, gibt Stahl zu. »Zu viele Menschen glauben, dass es nicht viel bringt.«

 

* Alle Namen von der Redaktion geändert

 

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