Der Klüngel, der Klotz und die Brache
Die Proteste waren zahlreich. Ein neues Justizzentrum auf dem Gelände der ehemaligen Dom-Brauerei in Bayenthal wäre »Klotz und Riegel«, warnte das Bürgernetzwerk südliche Innenstadterweiterung (Büsie) seit Jahren. Auch die politischen Ortsverbände im Kölner Süden kritisierten die Pläne des Bau- und Liegenschaftsbetriebes (BLB) des Landes NRW an der Alteburger Straße. Das Veedel benötige vielmehr Wohnungen und eine Verlängerung des Grüngürtels. Ob die bald kommen werden, ist fraglich. Aber ein Justizzentrum bleibt Bayenthal erspart. Der neue Standort wird der alte sein — gleich neben dem maroden alten Justizzentrum an der Luxemburger Straße in Sülz. Dass sich BLB, NRW-Landesregierung und Stadt Köln darauf einigen konnten, ist ein SPD-interner Coup. Maßgeblich beteiligt waren Martin Börschel, Landtagsabgeordneter und Fraktionschef im Rat der Stadt, sowie Jochen Ott, der Kölner Parteichef, Fraktionsvize im Düsseldorfer Landtag und Mitglied im Verwaltungsrat des BLB.
Das kommt der SPD im Wahlkampf zupass, doch auch Grüne, CDU und FDP begrüßen die Lösung. Allein Michael Weisenstein (Linke) kritisierte in der Ratssitzung Anfang April die Entscheidung. Ihm wäre unter den 18 Grundstücken, die die Stadt geprüft und vorgeschlagen hatte, ein rechtsrheinischer Standort lieber gewesen. Der jetzige Standort war übrigens gar nicht auf dieser Liste — der Vorschlag kam vom BLB, dem das Areal an der Luxemburger Straße gehört.
Einiges gilt es noch zu klären, zunächst in Sülz. Weil auf dem Gelände hinter dem maroden Justizzentrum wenig Platz für ein neues ist, muss die Hans-Carl-Nipperdey-Straße überbaut werden, und das neue Justizzentrum wäre mit rund 19 Metern höher als zunächst geplant. Ein Architektenwettbewerb soll hier Lösungen aufzeigen, denn die Politik ist sich einig, dass der Neubau nicht zulasten der Flächen gehen soll, die nördlich der Bauflächen parallel zum Eifelwall verlaufen: Hier, wo am Rand das neue Historische Archiv geplant ist, soll vor allem der Grüngürtel über die Luxemburger Straße in den Süden verlängert werden.
Was aber wird nun in Bayenthal passieren, wo »Klotz und Riegel« verhindert wurden? Wohnungen könnten gebaut, der Grüngürtel an den Rhein zu verlängert werden. Das Problem ist nur: Das Gelände gehört nach wie vor dem BLB. Der hat momentan keine Pläne — nur eine lästige Klüngel-Altlast, als Folge eines dubiosen Deals: Der Kölner IHK-Präsident Paul Bauwens-Adenauer sicherte sich im Auftrag des damaligen BLB-Chefs Ferdinand Tiggemann 2008 und 2009 die einzelnen Parzellen der Brache. Dann verkaufte er sie an seinen Auftraggeber weiter — mit einem Aufschlag von rund 10 Mio. Euro. Der BLB wollte hier nämlich die FH Deutz ansiedeln. Pikanterweise stammt diese Idee aus dem »Masterplan linksrheinische Innenstadt«, den Bauwens-Adenauer und dreißig weitere Unternehmer zuvor beim renommierten Stadtplaner Albert Speer jr. in Auftrag gegeben hatten und der Stadt spendierten. Dass Speers Ideen weniger wirtschaftsfreundlich waren als vermutet, konnten sie nicht ahnen. Noch etwas anderes aber war kurios: Kurz vor Abschluss der Untersuchung tauchte plötzlich im Masterplan die Empfehlung auf, der BLB könnte die Fachhochschule Deutz nach Bayenthal umzusiedeln. Auf jenes Gelände, das Bauwens-Adenauer zu diesem Zeitpunkt gerade aufkaufte. Der FH-Umzug wurde schließlich durch Proteste in Deutz und Kalk verhindert. Nun hatte der BLB überteuert eine Brache gekauft, aber nichts zum Draufstellen. So kam schließlich der Plan für ein Justizzentrum auf. Und nun ist auch der verhindert worden.
Was also passiert nun auf der Bayenthaler Brache, deren Ödnis bislang bloß ein Urbaner Garten mildert? Um Wohnungen zu errichten und den Grüngürtel weiterzuführen, muss die Stadt mit dem BLB verhandeln. Kaum zu glauben, dass der BLB der Stadt das Grundstück unter dem Kaufwert anbietet. Aber die Zeit drängt, Köln braucht Wohnungen. Die BayenthalerBrache besteht bald zehn Jahre.
Nichts mit diesen Fragen zu schaffen haben die zukünftigen Nachbarn des Justizzentrums in Sülz — die Aktivisten des Autonomen Zentrums (AZ). Seit August residieren sie in einem ehemaligen Verwaltungsgebäude am Eifelwall, gleich um die Ecke. 2015 müssen sie Platz für das neue Historische Archiv machen. Dann soll es um die Ecke im ehemaligen Kanalbauamt an der Luxemburger Straße weitergehen — bis Ende 2018.
Im Moment stellen sie gemeinsam mit dem Architekten Bodo Marciniak einen Bauantrag für das Gebäude an der Luxemburger Straße, weil dort noch Renovierungsarbeiten anstehen. Parallel verhandeln sie mit der Stadt über den Nutzungsvertrag, bislang gibt es nur eine Absichtserklärung von Stadtdirektor Guido Kahlen. Das letzte Gespräch war im Februar, aber im AZ ist man guter Dinge, dass alles seinen Weg geht. Es gehe lediglich um Details, über die man noch diskutiere.
Angst, dass das Justizzentrum ihre Pläne doch noch durchkreuzen könnte, haben sie nicht. »Das kümmert uns im Moment nicht. Dafür ist das auch zu unkonkret. Wir wollen jetzt den Vertrag unterschreiben, und dann ziehen wir nach drüben«, sagt Ben.