Die Gekränkten
Anfang Mai in einer Runde kluger, interessierter Leute: Akif Pirinçci? Der Katzenkrimiautor? Gibt’s den noch? Und der macht jetzt … was? Ultralibertäre Hasspropaganda? Ein Superstar der ganz Rechten? Der? Ja, der. Verkauft von seinem Pamphlet »Deutschland von Sinnen. Der irre Kult um Frauen, Homosexuelle und Zuwanderer« mittlerweile Hunderttausende.
Und der hochgebildete Nachbar, im Beruf erfolgreich, stets höflich: Man sieht ihn im Straßenwahlkampf Propaganda für die AfD machen. Vielleicht geht er am Montag noch zu den Friedensdemos. Auch die sind neu in diesem Frühjahr: Man verteidigt dort Putin und wettert gegen den Euro und das Zinssystem.
Gerne würden wir an dieser Stelle von einer Neuen Rechten schreiben — keine Stiefelnazis, sondern Bürgerinnen und Bürger aus dem Mittelstand; kein völkischer Wahn, aber wenig gezügelter Hass auf angebliche »Einwanderer ins Sozialsystem«. Allerdings — nur einen Schritt weiter wird es diffus: Sind diese Rechten autoritär und staatshörig? Oder Vertreter eines entfesselten — marktradikalen, steuerfeindlichen — Individualismus? Bekennen sie sich zu Putin? Oder doch zur Westbindung Deutschlands?
Würde man all die neuen Stars der Neuen Rechten — Akif Pirinçci, Bernd Lucke, Jürgen Elsässer, Ken Jebsen — mit denjenigen in einen Raum sperren, die in den letzten Jahren ihre Stichwortgeber waren — Peter Sloterdijk, Thilo Sarrazin, Henryk M. Broder —, sie hätten gemeinsamen Gesprächsstoff für vielleicht fünf Minuten. Danach würde ein großes Hauen und Stechen einsetzen. A kann mit B, B kann mit C, A aber nicht mit C usw.
Hinzu kommt, dass diese Neue Rechte in Parallelwelten existiert. Pirinçci ist der Star der Leserkommentare und Amazon-Kundenrezensionen. Das reicht für einen Bestseller, aber es prägt keinen Diskurs, stößt keine Debatte an, da können Pirinçci und seine Anhänger auch noch so laut schreien. Umgekehrt fallen die besser situierten AfD-Unterstützer nie in Pirinçcis Fäkal-Jargon, sondern agieren betont leisetreterisch. Und beide sind weit entfernt von den montäglichen »Mahnwachen für den Frieden«, auf denen in Berlin der einstige antideutsche Kommunist und heute paranoide Nationalist Jürgen Elsässer schwadroniert — Elsässers Magazin Compact hat aber soeben Pirinçci als »besten Deutschen« gefeiert. Was dem aber nicht gefallen dürfte. Kurzum: Man wurschtelt nebeneinander her.
Aber man wurschtelt in die gleiche Richtung und zwar erfolgreich. Man protestiert gegen den Euro-Rettungsschirm und gegen Aufklärung über Homosexualität im Schulunterricht. Damit bringt man Menschen auf die Straße und gewinnt Wahlen. Das Reich von Broder, Jan Fleischhauer und Sloterdijk ist die Talkshow. Ihre »Schüler« von der AfD sind ins Europaparlament und in viele Stadträte eingezogen — auch in Köln.
Den ganzen Artikel von Felix Klopotek & Christian Werthschulte
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