From Stonewall to Eifelwall
Am 28. Juni 1969 stürmte die New Yorker Polizei eine überwiegend von Drag Queens besuchte Kneipe in der Christopher Street. Es kam zu Ausschreitungen, die als die Geburtsstunde der Schwulen- und Lesbenbewegung gelten. Am 28. Juni 2014 findet in Köln eine alternative CSD-Parade statt, die erste seit sieben Jahren. »Wir wollen eigene Inhalte mit einer eigenen Demonstration auf die Straße bringen«, erläutert Birgit Westerhild vom Bündnis, das den alternativen CSD organisiert. Birgit Westerhild ist schon seit vielen Jahren in der queeren Szene aktiv. Andere aus dem Organisationsteam wie Eva Mahig, sind erst seit kurzer Zeit in Köln. Seit Jahresanfang veranstaltet sie die »coVen«, eine Party für Frauen, Lesben, Trans* und Intersex-Personen im AZ. »Wir haben uns als Partygruppe zusammengefunden, weil es für die lesbische Szene zu wenig Partys gibt.«
Eine Sicht, die die Organisatoren des alternativen CSD eint: Dass »die größte schwul-lesbische Community«, mit der Köln auf seinem Tourismusportal für sich wirbt, doch ein wenig heterogener sein könnte — sowohl kulturell, als auch politisch. »Viele Schwule und Lesben, die nach Köln kommen, sind sehr schnell enttäuscht von der Stadt«, meint Birgit Westerhild. Es gäbe nur wenig kulturelle Angebote außer Schwulen-Partys. »Die Hirschfeld-Tage waren eine gute Abwechslung«, ergänzt Eva Mahig. Dort gab es Theaterworkshops und Veranstaltungen zur lesbischen Geschichte Kölns. Aber gerade für eine junge, queere, selbstorganisierte Kulturszene ist es in Köln schwierig. Das Problem ist ein altbekanntes: Es fehlt an Räumen, die man günstig bespielen könnte. Stattdessen dominieren die üblichen Clubs und ihre hohen Eintritts- und Getränkepreise.
Dabei wäre es falsch, den alternativen CSD als eine rein kulturelle Veranstaltung abzutun. Hinter dem Bedürfnis nach Orten für Diskussion und andere Musik steht eine politische Haltung. Diese kann man in einer Broschüre der Initiative »Queergestellt«, die den alternativen CSD mitveranstaltet, nachlesen, die zurzeit kostenlos im Stadtgebiet verteilt wird. »Wir müssen reden« heißt sie und darin gibt es Interviews mit einer Beratungsstelle für mehrfachdiskriminierte, queere Migranten oder eine Auseinandersetzung mit der Frage, warum auch Schwule für Rechtspopulismus empfänglich sein könnten. Es sind Themen, die die stabilen Identitäten »Schwuler« und »Lesbe« immer wieder in Frage stellen.
Am meisten beachtet wurde jedoch ein offener Brief an den Kölner Lesben- und Schwulentag (KLUST), der alljährlich den Cologne Pride veranstaltet. »Dein — durch was eigentlich? — legitimierter Alleinvertretungsanspruch«, geht »uns massiv auf den Zeiger«, heißt es dort. »Es geht um Kritik an Kommerzialisierung, um andere politische Verhältnisse. Politisch sind wir da nicht auf Linie«, erläutert Westerhild. Es ist die neueste Variation eines alten Konflikts in der Lesben- und Schwulenbewegung zwischen denjenigen, die der Ansicht sind, dass eine Ausweitung der bürgerlichen Ehe und Familie auf Schwule und Lesben ein politisches Ziel darstellt und denjenigen, die sich andere Formen des Zusammenlebens vorstellen können.
Aber die Kritik ist eine solidarische, der Respekt vor anderen Lebensentwürfen fehlt den Organisatoren des alternativen CSD nicht. »Wir sagen nicht, dass wir jetzt die Guten sind«, meint Eva Mahig. Und Birgit Westerhild erzählt eine Anekdote von einem Treffen im Vorfeld des letztjährigen CSD. Damals ging es um die Frage, wie man mit der angekündigten Teilnahme der rechtsextremen Partei Pro Köln umgehen wolle. Einige Teilnehmer schlugen vor, die Parade zu einem Fußmarsch umzuwandeln. »Das wäre dann wieder eine Demo gewesen«, meint Westerhild. Auf einmal hätte sich jedoch ein älterer Mann zu Wort gemeldet und gesagt, dass man doch die Wagen nicht aufgeben könne, wo man doch so lange für Sichtbarkeit gekämpft habe. »Für mich sind die CSD-Wagen Kommerz, für diesen Mann war das aber existenziell.«
Es gehe nicht darum, sich am Klust abzuarbeiten, betont Birgit Westerhild. »Es geht um die Sache.« Zudem sei seit einiger Zeit eine sanfte Re-Politisierung des KLUST zu beobachten. Als im März die »Besorgten Eltern« in Köln gegen die »Frühsexualisierung ihrer Kinder« demonstriert haben, war der KLUST Teil des Bündnisses, das zur Gegendemo aufrief. Dieses Jahr druckt der KLUST Zeilen aus Kölner Karnevalsschlagern auf die Plakate für den Cologne Pride. »Super Jeile Zick« steht dort in Großbuchstaben. Und darunter: »Noch vor 20 Jahren war Homophobie Gesetz«. »Ich mag diese Plakate«, meint Birgit Westerhild. »Aber ich befürchte, dass sie nicht wahrgenommen werden.« Das selbstironische Motto »Wir sind ›nur‹ der rosa Karneval« sei zu missverständlich.
Gute Gründe also, am 28. Juni mit einer eigenen Parade auf die Straße zu gehen. Wenn alles gut läuft, ist das erst der Anfang. »Wir können uns schon vorstellen, danach noch mehrere Veranstaltungen zu machen«, meint Birgit Westerhild, und Eva Mahig fügt hinzu: »Im alternativen Bereich fehlt einfach was.«