Foto: Rudi Giering

Fußballmärchen auf dem Ascheplatz

Der Ruhm zweier Klubs aus dem Rechtsrheinischen strahlte einst über Köln hinaus. Heute kämpfen sie ums Überleben

Die 70er Jahre waren die goldene Zeit für einen kleinen Klub im rechtsrheinischen Arbeiterviertel Köln-Mülheim: Von 1972 bis 1976 spielte der SC Nord Köln – zusammen mit hochkarätigen Teams wie Bayer 04 Leverkusen, SC Viktoria Köln und dem Bonner SC – in der höchsten deutschen Amateurliga. Während dieser Phase legte die Mannschaft gleich mehrere Siegesserien hin und klopfte sogar kurzzeitig an das Tor zur 2. Bundesliga. Selbst das Fachmagazin Kicker (»Die Mülheimer legten los wie die Feuerwehr«) zollte den bis nach Westfalen hinein bekannten »Nordstädtern« in seinen Spielberichten Anerkennung.

Edle Klubuniformen für den Favoritenschreck

Wie so oft im Amateurbereich, gelangte der Verein auf Grund eines ausgefeilten Mäzenatentums an die Spitze. Der Kölner Speditionsunternehmer Karl-Heinz Reincke spielte seit 1963 beim SC Nord, zwei Jahre später stieg er auch als Sponsor ein. Namhafte Spieler aus Köln und Leverkusen wurden nach Mülheim geholt, den meisten Kickern bot Reincke Arbeitsplätze in seinem Unternehmen an. »Noch heute bricht mir der Schweiß aus, wenn ich daran zurückdenke, welche Summen Reincke seinen Spielern hinblätterte. Davon hätte er sich locker ein Reihenhaus hinstellen können«, erinnert sich Fritz Iven, einer der früheren Vorsitzenden des Klubs.
Als einziger Verein der damaligen Verbandsliga Mittelrhein trug der SC Nord seine Heimspiele auf einem staubigen Ascheplatz an der Rixdorfer Straße aus. Dennoch belegte der Favoritenschreck in der Saison 1974/75 – knapp hinter Zweitligaabsteiger Viktoria Köln – einen hervorragenden sechsten Platz. Reincke, der »Löring des Kölner Nordens« (Kicker), finanzierte seiner Mannschaft kostspielige Reisen nach Übersee. Die Spieler erhielten edle Klubuniformen, und der Verein träumte bereits vom Gewinn der Deutschen Amateurmeisterschaft.

Abstieg mit der Rumpfmannschaft

Doch das »Fußballmärchen« (Iven) endete jäh: Kurz vor dem Saisonstart 1975/76 wollten die Spieler mehr Geld. Reincke lehnte ab, und postwendend fiel das gesamte Team auseinander. Verbittert über die vermeintliche Habgier seiner Schützlinge ging auch Reincke – und eine notdürftig zusammengestellte Rumpfmannschaft konnte den Abstieg nicht verhindern. Während der folgenden Jahre wurde der SC Nord in den lokalen Ligen nach unten durchgereicht und landete 1982 schließlich in der Kreisklasse A. Nach einer kurzzeitigen Rückkehr in die Bezirksliga krebst der einstige rechtsrheinische Vorzeigeklub nun seit drei Jahren in der B-Klasse herum.
Auch die Zahl der Jugendmannschaften ist in den letzten Jahren von 15 auf mittlerweile vier geschrumpft. Karl-Heinz-Vogt, gegenwärtig Erster Vorsitzender des SC Nord, will im Verbund mit Trainern und Betreuern zukünftig verstärkt Jugendliche aus dem nahen sozialen Umfeld der Böcking- und Hacketäuersiedlung ansprechen. Die Zielsetzung ist laut Vogt denkbar bescheiden: »Wir versuchen den Verein am Leben zu erhalten.« Ex-Geldgeber Reincke ist bei seinem einstigen Klub nie mehr aufgetaucht und vor drei Jahren gestorben.

Rund um die Uhr im Verein

Nur zwei Kilometer Luftlinie vom Mülheimer Ascheplatz entfernt trauert auch der TuS Höhenhaus erfolgreicheren Zeiten hinterher. Finanziell nie auf Rosen gebettet, profitierte der Klub drei Jahrzehnte lang von dem Engagement des fußballverrückten Karl-Heinz Gillet. Der Frührentner kümmerte sich in seiner Funktion als Jugendleiter rund um die Uhr um seinen Verein. Talente wie Sven Demandt, Oliver Westerbeek oder Guido Hoffmann reiften zu späteren Bundesligaprofis heran. Noch in der Saison 2001/02 spielte die A-Jugend in der Regionalliga gegen Mannschaften wie Borussia Dortmund und den FC Schalke 04.
Bis 1998 konnte sich auch die erste Mannschaft in der dritt-höchsten Amateurliga behaupten. Doch Gillet war bereits ein Jahr zuvor gestorben, und allmählich stürzte der Klub ins Chaos: Ab 2000 zahlte der Deutsche Fußball-Bund an kleine Vereine wie TuS Höhenhaus keine Ausbildungsentschädigung mehr, und auf Grund von Vorstandsquerelen sprangen dem über die Stadtgrenzen hinaus bekannten »Ausbilder für ganz Köln« auch noch die Sponsoren ab. Diese Umstände führten dann in der Saison 2002/03 zum Super-Gau: Noch während der laufenden Spielzeit musste der Klub sein Seniorenteam aus der Bezirksliga zurückziehen, und durch die prekäre finanzielle Situation drohte dem Verein sogar die Auflösung. Mit einigen »Blitzturnieren« hielt man sich über Wasser, um zumindest die 18 gemeldeten Jugendmannschaften nicht untergehen zu lassen.

Wichtigstes Kriterium: Bescheidenheit

Kürzlich wurde nach einer längeren Phase der Ungewissheit wieder ein neuer Vorstand gewählt. Jugendgeschäftsführer Rainer Brandenburg hofft nun, dass die neuen Verantwortungsträger das »sinkende Schiff wieder in Fahrt bringen.« Eine Erste Mannschaft aus ehemaligen Jugend- und Reservespielern ist für den Neuanfang in der Kreisliga A gemeldet. Wichtigstes Kriterium für die Spielerauswahl ist deren »Bescheidenheit«. Rainer Brandenburg: »Bezahlen können wir unseren Spielern nichts mehr.«