Singen statt Schießen, »Musikdebatte Köln« von Christian von Götz

Unter dem Label Musikdebatte Köln etabliert sich eine neue Form der politischen Oper

Musiker, Sänger und Komponisten wollen das Politische in der Oper neu denken und inszenieren. Dafür haben sich die professionellen Künstler zur »Musikdebatte Köln« zusammengeschlossen. Ihr erster Streich war die Uraufführung einer Kammeroper mit dem Titel »Djaizat al Salam — Friedenspreis«. Es geht um die Auswirkungen des Einsatzes der Bundeswehr in Afghanistan von 2001 bis heute. Ein Gespräch mit Initiator und Regisseur Christian von Götz. 

 

Herr von Götz, das Ensemble »Mu-sikdebatte Köln« versteht sich als »Neues Forum für Politische Oper«. Warum muss die Oper politischer werden?

 

In den Köpfen des Publikums ist fest verankert, dass Oper etwas für alte Leute im Smoking oder für verstiegene Köpfe mit schwarzen Brillen ist. Unser Bild der Gattung ist stark durch das 19. Jahrhundert geprägt. Doch die Werke von Giuseppe Verdi sind gar nicht kulinarisch, sondern politisch. Das ist der Ausgangspunkt für mich. Es gibt zwar viele Regisseure, die in den Inszenierungen der Opern des Repertoires Gesellschaftsrelevanz durch politische Bezüge herzustellen versuchen. Wir wollen den Spieß umdrehen und Opern kreieren, die per se ein konkretes, politisches Thema haben.

 

Um welche Themen geht es?

 

Ich habe Inszenierungen mehrerer Opern wie Mozarts »La Clemenza di Tito« gesehen, in denen Afghanistan als interpretatorische Folie benutzt wurde. Darüber habe ich mich sehr geärgert und gedacht, lasst uns doch direkt von diesem Konflikt erzählen. Es geht um Themen, die aktuell sind und von einer bestimmte Dringlichkeit geprägt. Die Themen sollen vor allem über die Figuren gespiegelt werden. Wenn wir sagen, dass wir politische Oper machen, wollen wir, dass die Leute das auch wieder erkennen. 

 

Es gibt doch Opern politisch engagierter Komponisten wie Luigi Nono, Helmut Lachenmann oder Heiner Goebbels. Was gefällt Ihnen daran nicht?

 

Es geht nicht darum, die großen politischen Repertoireklopper der 60er und 70er Jahre in Frage zu stellen. Aber die meisten dieser Werke brauchen einen gigantischen Apparat. Uns interessiert die kleine Form, mit der man an verschiedenen Spielorten gastieren kann. Außerdem wollen wir raus aus dem Elfenbeinturm der seriellen und postmodernen Musik. Und wir schlagen den Bogen in die 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, als Komponisten wie Schreker, Zemlinsky und Krenek in Zeitopern aktuelle politische Stoffe verarbeitet haben. 

 

Wer verbirgt sich hinter der Bezeichnung »Musikdebatte Köln«?

 

Eine lose Gruppe von etwa zwanzig professionellen Musiktheatermachern, also Regisseure, Dramaturgen, Sänger und Musiker. Wir haben jetzt mit dem kleinen Projekt »Djaizat al Salam — Friedenspreis« begonnen, und es werden derzeit immer mehr. 

 

Im Zentrum der Oper »Djaizat al Salam« steht eine junge Frau und der Drohnenangriff bei Kunduz im Jahr 2009. Was kann mir die Oper da erzählen, was ich nicht schon aus der Zeitung weiß?

 

Der Mehrwert liegt in der Emotionalisierung. Ich bin dieser sehr schönen, aber auch mürbe machenden Musik ausgesetzt und diesem Frauenschicksal, das mich packt und aufrütteln kann. Emotiona-lisierung ist ganz altmodisch ein erzieherischer Wert. Man ist sen-sibilisiert und öffnet sich. Das ist das, was die Oper besser kann als das Schauspiel. 

 

Wenn wir über Afghanistan sprechen: Wie viel Konkretion verträgt die Oper?

 

Das Thema muss über ei-ne fiktive Geschichte gespiegelt werden, die über eine epische oder (post)dramatische Struktur erzählt wird. Man braucht Charaktere, auf die man die Geschichte projizieren kann. Sie muss so beschaffen sein, dass sie zugleich ganz konkret von den politischen Zuständen erzählt, andererseits aber Distanz herstellt. Es wäre unsinnig, eine Oper zu schreiben, die im Juni 2014 in Kabul spielt. 

 

Im Programm zu »Djaizat al Salam« wird als Komponist das Ensemble aufgeführt. Wie funk-tioniert ein kollektiver Kompositionsprozess?

 

Ich habe das Libret-to geschrieben und dann mit der Sopranistin Csilla Csövari inhaltlich daran weiter gear-beitet. Zusammen mit den Musikern wurde der Text in Abschnitte unterteilt, Klima und Groove abgesprochen. Dann haben wir über Improvisation einen musikalischen Grundstock geschaffen, den wir aufgenommen und bei der nächsten Probe weiterentwickelt haben.

 

Sie haben »Djaizat al Salam« nicht im Opernhaus herausgebracht. Müssen sich die Produktionsstrukturen ändern, damit die Oper politischer wird?

 

Ein Projekt, wie wir es jetzt gemacht haben, wäre auch im Staats- und Stadttheater möglich. Das Hauptproblem ist, dass sowohl beim Publikum wie bei den Machern die Fantasie fehlt, die vermeintlich trockenen prosaischen Stoffe, die von weltpolitischen Veränderungen oder Krisen erzählen, in Verbindung mit Musik zu bringen.