Von Himmelsziegen und Heidelerchen
Den Ökologen glänzen die Augen, wenn sie von der Wahner Heide sprechen, dem fast 40 Quadratkilometer großen Gelände um den Flughafen Köln-Bonn. In einem der größten Naturreservate Nordrhein-Westfalens existieren Pflanzen und Tiere, die man selten in dieser Häufigkeit findet. Ob Silbergras und Bauernsenf auf den trockenen Böden oder Sonnentau und Bärlapp in den Feuchtbiotopen, der seltene Lungenenzian und die Sumpfkalla – man denkt eher an die Poesie der Namen als an die Rote Liste der bedrohten Fauna. Ähnlich ist es mit den Reptilien und Amphibien. Molche und Salamander leben hier ebenso wie die Heidelerche, die durch ihren melancholischen Gesang auffällt, oder die Bekassinen, die bei der Balz im Frühling rasante Sturzflüge vollführen und dabei mit den vibrierenden Schwanzfedern ein dumpfes Meckern erzeugen, weshalb sie auch »Himmelsziegen« genannt werden. Sie sind von den Jägern in Deutschland fast ausgerottet und nur noch in der Wahner Heide zu finden.
Gesperrt für Menschen, aber nicht für Lurche
Bauern und Soldaten sind der Grund für diesen Artenreichtum. Die Böden eigneten sich schon im Mittelalter nicht für den Ackerbau, sondern nur als Viehweide, und dadurch blieb vieles erhalten. Später kamen die Soldaten: Kaum fiel das Rheinland an Preußen, baute das Militär 1817 einen ersten Schießplatz, und seitdem verließen die Soldaten mit einer kleinen Ausnahme nach dem Ersten Weltkrieg die Wahner Heide nicht mehr, bis fast alles Sperrgebiet war. Gesperrt für fast alle Menschen, aber eben nicht für Frösche, Lurche oder Lerchen.
Zuletzt nutzte das belgische Militär die Wahner Heide als Truppenübungsplatz und Standort seiner Kasernen, es wird aber auch bis 2004 abgezogen sein. Für den Fall gibt es weitreichende Pläne und Ideen, wie die Heide als Naturreservat erhalten bleiben kann, denn auf der einen Seite benötigt sie massiven Schutz, und auf der anderen Seite wollen die Menschen den Zugang zur Heide für Erholung und Freizeit. Die umliegenden Gemeinden haben sich in einem »Arbeitskreis Wahner Heide« zusammengeschlossen. Sie fordern ebenso wie die Naturschutzverbände die Planung und Lenkung der künftigen Nutzung, wie etwa bestimmte Flächen völlig zu sprerren, Wegen zurückzubauen, sensible Gebiete mit natürlichen Barrieren zu versehen, aber auch ein Informationssystem einzurichten und in der Althenrather Kaserne ein Natur- und Umweltzentrum zu installieren.
Die Gräber von zwei Matrosen
Ein bisschen Militär ist gleichwohl immer noch da, die Bundeswehr im Westen des Flughafens Köln-Wahn. Hierzu gehört unter anderem ein Transportgeschwader und die Flugbereitschaft für die Regierung, das heißt deren Bonner Reste, dazu zählt aber auch das historische Gelände rund um die Bundeswehrkaserne, etwa ein alter Militärfriedhof. Er wurde für die Soldaten angelegt, die bei Manövern ums Leben kamen, später auch für die französischen Kriegsgefangenen des Ersten Weltkriegs, die hier verstarben. Es gibt ein Doppelgrab darunter, mit dem es eine besondere Bewandtnis hat. Hier sind zwei Matrosen begraben, fernab von ihren Häfen an der Küste. Max Reichpietsch und Albin Köbis, die als »Rädelsführer« der ersten Marinemeuterei am Ende des Ersten Weltkrieges in Kiel festgenommen, nach Köln in das preußische Festungsgefängnis am Bonner Wall 114-120 überführt, zum Tode verurteilt und dann auf Militärgelände in der Wahner Heide am 5.9.1917 erschossen wurden.
Gedenkstätte von Kommunisten
Den Hintergrund für dieses Ereignis lieferten Hunger und Elend des »Kohlrübenwinters« 1916/17, bei dem Hunderttausende an Unterernährung und Seuchen starben. Im Frühjahr 1917 kam es in zahlreichen Großstädten zu Hungerdemonstrationen, die auch auf die Marine übergriffen. Das Flottenkommando ließ daraufhin zehn aufständische Matrosen verhaften und zum Tode verurteilen. Aber nur die Urteile gegen Max Reichpietsch (23) und Albin Köbis (25) wurden in Köln vollstreckt, die anderen Verurteilten wurden in der Weimarer Republik rehabilitiert.
Während in den 1920er Jahren der Ort des Doppelmords in der Wahner Heide, das heißt das Grab, eine bekannte Gedenkstätte für Kommunisten und Sozialdemokraten war und einen eigenen Gedenkstein bekam, tut sich die Traditionspflege in der Bundesrepublik mit diesem Erbe einigermaßen schwer – im Unterschied zur vormaligen DDR. Dort trugen zwei Schiffe der Nationalen Volksarmee die Namen der beiden Matrosen. Inzwischen kann man nach Voranmeldung die Gräber auf dem Kasernengelände in Wahn besuchen, und bisweilen gibt es am Todestag, dem 5. September, hier kleine Veranstaltungen von alten Sozialisten und jungen Friedensfreunden.
Buch
Martin Stankowski: Köln – der andere Stadtführer, Kiepenheuer und Witsch, KiWi Köln, Köln 2003, 370 S., 19,90 €. Erscheint Ende September.
Lage
Die Wahner Heide liegt im Südosten von Köln. Im Norden und Osten wird das Gebiet von der A3 begrenzt, im Westen durch den Mauspfad und südlich durch Troisdorf und die Agger. In 53842 Troisdorf-Altenrath, Flughafenstr. 33, gibt es das Infozentrum Wahner Heide.
Anfahrt Infozentrum
Bus und Bahn: Vom Kölner Hauptbahnhof z.B. mit der S12 bis Bahnhof Troisdorf, dort weiter mit der Buslinie 506 bis zur Haltestelle »Altenrath, Mitte«.
PKW: z.B. über Köln-Porz bis Troisdorf, dann über die Altenrather Straße bis Altenrath.
Öffnungszeiten:
Die Wahner Heide ist an Wochenenden und Feiertagen zugänglich. Das Infozentrum ist von April bis Oktober sonntags von 11-17 Uhr geöffnet. Jeweils am 1. Sonntag im Monat gibt es um 14 Uhr eine ca. dreistündige Heideführung.