Nachhaltige Verdrängung
Mehrmals täglich fahren sie am Haus von Werner Eggert vorbei, die Busse mit den Stadtrundfahrten. Verwunderlich ist das nicht. Aus Eggerts über Eck gebautem Küchenfenster schaut man auf die Bürgerhäuser des 19. Jahrhunderts, ein paar Meter die Straße runter liegt der Botanische Garten mit der Flora. »Eine schöne Gegend«, meint Eggert, der seit 2007 mit seinem Sohn in der Zweizimmerwohnung in Riehl lebt. Wie lange er sich den Blick aus dem Fenster noch leisten kann, steht schon fest. Für Mitte August hat sein Vermieter angekündigt, die Wohnung zu sanieren: Maßnahmen zur Wärmedämmung, eine neue Heizung sowie Modernisierungen zur »nachhaltigen Erhöhung des Gebrauchswertes der Mietsache«. Gemeint sind damit: Balkone, Terrassen und Grünanlagen.
Eine Form von Nachhaltigkeit, auf die Werner Eggert und neun andere Mietparteien aus dem Haus gern verzichten würden. »Diese Maßnahme ist nicht von uns gewollt«, haben sie ihrem neuen Vermieter geschrieben. Sie stelle keine »Wohnwertverbesserung« dar, sondern das Gegenteil. Denn sie machen das Wohnen in der Stammheimer Straße teuer. Momentan zahlt Werner Eggert 430 Euro für 49 Quadratmeter, demnächst sollen es 748 Euro sein: eine Steigerung um rund 80 Prozent, bei der alleine der Balkon mit 185 Euro pro Monat zu Buche schlagen wird. Für den 63-jährigen Eggert bedeutet dies, dass er ausziehen muss. Ab Februar nächsten Jahres wird die erhöhte Miete fällig, dann kann er sich die Wohnung nicht mehr leisten.
Chancen, sich auf juristischem Wege dagegen zu wehren, sieht Eggert kaum: »Bei meinen Gesprächen mit Anwälten ist im Wesentlichen rausgekommen: Man kann nicht viel machen.« Seitdem der Paragraph 555 BGB vor anderthalb Jahren reformiert wurde, müssen Mieter eine energetische Sanierung dulden, auch wenn die Miete danach zu teuer für sie wird. Stattdessen versuchen er und seine Mitstreiter, dem Vermieter nachzuweisen, dass seine Sanierung fragwürdig ist. So seien die genannten Energiesparmaßnahmen nicht sinnvoll ausgewählt, das Gutachten zur energetischen Sanierung basiere zudem auf zu wenig Daten. Darüber hinaus sei es nicht korrekt, unterlassene Ausbesserungen als Modernisierung zu verkaufen. »Es gab im Haus über Jahre einen Investitionsstau«, meint Eggert und berichtet von Wohnungen, die nicht warm würden und einer Klingelanlage, die reparaturbedürftig sei.
Frederic Liesenhoff, der für Eggerts Vermieter, die Firma Lodde Immobilien aus Düsseldorf arbeitet, wollte sich gegenüber der StadtRevue nicht zu den Vorwürfen der Mieter äußern. Anders als etwa die GAG, gegen die Mieter in Zollstock protestierten, muss Lodde Immobilien kein Image als sozial engagierter Vermieter verteidigen. »Wir sorgen dafür, dass der Wert Ihrer Immobilie gesichert ist«, verspricht das Unternehmen potenziellen Kunden auf seiner Homepage. Dazu gehören neben den neuen Eigentümern des Hauses in der Stammheimer Straße auch ein Fonds drei großer dänischer Banken namens Core Property. Dieser machte vor zwei Jahren in Hamburg Schlagzeilen, als er ein Wohnheim für ledige Männer auflösen wollte, um Eigentumswohnungen daraus zu machen. Das verhinderte die Stadt Hamburg. Core Property übernahm also die bisherige Nutzung, verlangte aber Mieten von bis zu 250 Euro für ein acht Quadratmeter großes Zimmer plus gemeinschaftliche Koch- und Waschräume.
Auch in Köln besitzt Core Property einige Häuser. Als Hauseigentümer sei der Fonds in Köln aber bislang nicht auffällig geworden, berichtet Jürgen Becher vom Mieterverein Köln: »Der Name sagt mir nichts.« Einer der CEOs von Core Property ist Niels Lorentz Nielsen. Gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder Lars gründete er 1992 eine Immobilienfirma, die eine Reihe von Häusern in Kopenhagen besitzt. Und eben dieser Lars Lorentz Nielsen tritt nun als Direktor einer Firma namens »Ejendomsselskabet Köln & Düsseldorf« auf, die die Häuser in der Stammheimer Straße erworben hat. Sie befindet sich in dem selben Haus wie der Buchladen der Familie in einer dänischen Kleinstadt. Gegen diese schwer zu durchschauenden Eigentumsverhältnisse am Immobilienmarkt haben es Mieter wie Eggert schwer.
Auch Werner Eggert ist klar, dass die Versuche von ihm und seinen Mitmietern, sich zu wehren, am Ende vermutlich symbolisch sein werden. Fast eine halbe Million investiert Lodde Immobilien in die Sanierung der Häuser. Sollten die Mieter die Umbaumaßnahmen verzögern, könnten sie mit hohen Schadensersatzforderungen konfrontiert werden: »Es wäre unaufrichtig, den Leuten in so einer Situation zu sagen:›Weiter so‹«. Die Erfahrungen der letzten Wochen haben ihn trotzdem geprägt. »Am Anfang habe ich gedacht, ich stünde alleine da«. Mittlerweile hat er nicht nur Mitstreiter in der eigenen Hausgemeinschaft gefunden, sondern auch Kontakt zum Netzwerk »Recht auf Stadt«. Denn leise wollen er und die Mieter ihren Wohnort aber nicht verlassen. Am Tag, an dem die Gerüste aufgestellt werden sollten, hängten sie ein Transparent aus dem Fenster. »75 Prozent Mietsteigerung = Vertreibung« stand darauf. Auch die Touristen auf Stadtrundfahrt konnten es sehen.