Tobse Bongartz, die Banken und ich

Heim & Welt

Was Geld aus Menschen macht: Der eine hält, was ihm der Kontoauszugsdrucker überreicht, wie eine Monstranz freudig empor und redet in Zungen. Dem anderen schwinden die Sinne, weil der Leibhaftige im Automaten hockt und ihm stets noch ein Minuszeichen vor den Endbetrag kackt. Kontogucken ist nichts für schwache Nerven. Ich schaue schon seit Jahren gar nicht mehr nach; würde ohnehin nichts ändern. Ob ich nun den knickerigen Harpagon oder aber den Grafen Koks von der Gasanstalt gebe — die Aufführung endet doch so oder so als finanzielles Trauerspiel. Ich könnte mich einer Kommune in strukturschwacher Region als Kämmerer anempfehlen: Egal, welche finanzpolitischen Anstrengungen ich auch auf mich nehme, es ändert sich nix.

 

Ob mich das nervös macht? Nee, denn Kreditinstitute haben Hallodris wie mich mindestens so lieb wie milliardenschwere Tanker-könige oder die russische Mafia. Was Kreditinstitute dagegen gar nicht mögen, sind Typen wie Tobse Bongartz: Leute, die besonnen ihre finanziellen Spielräume ausloten — und sich dann für oder gegen einen zweiten Humpen in »Bernie’s Bier-Bunker« entscheiden. Meist entscheiden sie sich dagegen — und warten geduldig auf die nächste Runde, die jemand spendieren möge. Der Tobse-bongartzismus und seine grund-solide Kredit-Aversion macht die Banken nervös. Aber das ist das einzig Sympathische, was sich darüber sagen lässt.

 

Wo ich hier so munter drauflosplappere — merken Sie eigentlich, dass Sie einem Tabubruch beiwohnen?! Denn über Geld redet man doch nicht. So lehrten es schon Großmama und Großpapa, und so befolgt dieses Schweigegelübde noch die Schar ihrer Enkelkinder. Da sind sie verklemmt wie jeder andere Spießbürger auch. Die »finanzielle Situation« sagen sie — das hat schon so einen Sound wie wenn Oma Porz »untenrum« sagt. 

 

Ich kenne pikante Details aus dem Leben so einiger Bekannter. Das meiste davon ist schamloser als jeder Talk im Privatfernsehen. Sie haben mir all das trotzdem gern erzählt. Bloß: Wie hoch ihr Gehalt ist, wie viel Miete sie zahlen in dem prächtig sanierten Altbau, und ob Vati auch nach dem Studien-abbruch vom Sohnemann jeden Monat noch ein klitzekleines Sümmchen rübertut — all das hüten sie wie Passwort und PIN-Code. 

 

Und weil man über Geld nicht spricht, kursieren viele falsche Vermutungen darüber, wie Menschen damit umgehen. Es heißt, die Reichen seien geiziger als die Armen. Das soll ausdrücken, wie obszön Reichtum ist. Dem stimme ich zu. Aber man sollte deshalb nicht die Tatsachen verdrehen. Reiche Leute sind Schurken, legal kommt man nicht an so viel Geld, doch großzügig sind sie durchaus, eben weil sich dies in der Reiche-Leute-Szene so gehört. Wer überhaupt nicht großzügig ist, das sind jene, die vorgeben, sparen zu müssen, in Wirklichkeit aber nur ihr Erspartes vermehren wollen. 

 

Wenn man diese Gruppe betrachtet, wird man ein weiteres Vorurteil ablegen müssen: Zunächst, dass Reiche mit ihrem Vermögen angeben. Das nämlich kommt weitaus seltener vor, als dass umgekehrt Nicht-ganz-so-Reiche mit ihren finanziellen Belastungen angeben. Man stöhnt in solchen Kreisen über Steuern, als hätte man die Straßen und Kindergärten längst selbst gebaut. 

 

Ich stöhne nicht über Steuern. Ich weiß gar nicht, wie viel ich -zahle. Ich gucke ja gar nicht mehr auf mein Konto. Und wer weiß, vielleicht bin ich stinkreich? -Möglich ist alles, so lange ich es nicht überprüfe. Und dass ich in letzter Zeit häufig Postwurfsendungen erhalte, die mir »Bargeld sofort« offerieren, könnte auch bloß auf einen schludrig abgewickelten illegalen Adresshandel hinweisen. Ich nehm’s diesen Spitzbuben nicht krumm. Sie müssen ja auch sehen, wie sie über die Runden kommen.