Im Osten geht die Sonne auf
Der OB ist ein Mann mit weitem Blick und dem richtigen Instinkt zur rechten Zeit. Da droht ein unliebsamer kleiner Nachbar die Nase vorn zu haben, schon wird entschlossen gehandelt und richtig reagiert, die Messebauten am Rheinufer werden mit einem modernen Konzept auf Vordermann gebracht, und bald kann ein prestigeträchtiges Medienevent präsentiert werden. Es ist 1928. Der Mann mit Blick und Instinkt war Konrad Adenauer. Er holte die »Pressa« nach Köln, eine internationale Presseaustellung, nachdem gerade Düsseldorf Köln als Messestadt auszustechen gedroht hatte. Genau 80 Jahre nach diesen Ereignissen wird RTL in die Rheinhallen einziehen.
Poker um den RTL-Standort
Adenauers aktueller Enkel heißt Fritz Schramma und muss sich am selben Ort mit ähnlichen Problemen rumschlagen. Weitblick darf unser OB dabei aber noch nicht für sich reklamieren, er verlässt sich lieber auf sein glückliches Händchen, so als würde er einen Lottoschein ankreuzen: Das Coloneum wurde RTL – bester Steuerzahler der Stadt – als neuer Standort angeboten, dann die Gebäude der nach Bonn verzogenen Deutschen Welle, zuletzt die Rheinhallen. Irgendwann muss doch ein Joker dabei sein! Es können doch nicht immer nur die anderen gewinnen – bzw. der andere: Walther Boecker, SPD-Bürgermeister von Hürth. Boecker wundert sich gerade, dass seine Glückssträhne gerissen ist. Wesentlich professioneller und ausgereifter, so RTL-Boss Gerhard Zeiler immer wieder, sei das Angebot der Hürther gewesen, über die Farbe der Teppiche war man sich bereits einig geworden und auf 30 Prozent weniger Gewerbesteuer als in Köln freute man sich auch schon – Hürth hatte die Nase vorn. Bis Schramma mit dem erhitzten Gemüt eines Spielers alles auf die Rheinhallen setzte – und gewann.
Aus für Mediapark und Coloneum?
In fünf Jahren werden also schwere Möbelwagen die Garderobe von Katja Burkhard, den Haarfestiger von Peter Kloeppel und das »Brustimplantat verrutscht!«-Archiv von Explosiv von Junkersdorf nach Deutz steuern. Wahrscheinlich werden die Möbelwagen noch einmal zurück fahren, rechts abbiegen, und in Ossendorf das Coloneum leerräumen, dort residieren die RTL-Familienmitglieder VOX, Grundy Ufa, CBC, RTL New Media, Super RTL und andere Ableger, die ebenfalls aufs Messegelände ziehen können. Danach kann sich das Coloneum eine Wildwasserrutsche kaufen, die Tage als Top-Medienstandort dürften gezählt sein.
Es war ein Denkfehler, den Produzenten bewegter Bilder in der Stadt Plätze zuweisen zu wollen. Das machen die lieber selbst, freie Platzwahl in der freien Marktwirtschaft. Die vermeintlichen Medienstandorte Mediapark und Coloneum wurden beim jeweiligen Spatenstich als dereinstige Epizentren der europäischen TV-Erzeugung gepriesen. Doch nicht nur Viva sagte bald Tschüss, um sich auf der anderen Seite des Flusses nieder- und einen gerupften Mediapark zurückzulassen. Stück für Stück wachsen Deutz und Mülheim als Medienstandorte heran, ohne dass dies je im Rathaus so postuliert wurde.
Seit Anfang August ist der große Rhein-Transfer beschlossene Sache; Kölns Großkopferten bejubelten die Entscheidung des Marktführers dermaßen laut, dass kein Stimmchen mehr zu vernehmen war, das sich eventuell gewundert hätte, wo denn Coloneum und die anderen Offerten in diesem Show-down abgeblieben waren. Die Millionen-Euro-Show verlief in den entscheidenden Phasen ganz ohne die zunächst ins Rennen geschickten Kölner Standorte.
RTL hätte aber nicht ernsthaft nach Hürth ziehen können, meint der frühere RTL-Chef Helmut Thoma, der betont, dass sein alter Sender in Trailern, Serien und Sendungen mehr Köln-Bezug habe als der WDR. Vielleicht war Hürth auch nur ein taktisches Spielchen von Thomas Nachfolger Zeiler, bis der Quadratmeter in bester Lage am Rhein nur noch 12 Euro kostete und der Strom zu feinen Konditionen angeboten wurde. Dass geklüngelt wurde, da würde die unterlegene Hürther Konkurrenz drauf wetten. Thoma mag so etwas nicht bestätigen, ist sich aber sicher, dass Köln in der Situation war, Maßnahmen zu ergreifen, wie er es hübsch formuliert.
Bollywood auf der Schäl Sick
Die Sonne geht nun endgültig im Osten auf. Deutz und Mühlheim haben sich zum Bollywood der deutschen Fernsehunterhaltung gewandelt, Harald Schmidt, Charlotte Roche und Gerhard Zeiler beerben endgültig Felten & Guillaume. Das wird das Rechtsrheinische verändern. Auf eine Formel gebracht: Wer in den letzten Jahren wegen des Strukturwandels seinen Job verloren hat, wird in Bälde auch seine Wohnung verlieren. Die Einwohnerzahl ist schon jetzt stark rückläufig, knapp 400 Wohnungen werden in Deutz in Kürze abgerissen werden, deren Bewohner sollen Neubauten in Kalk, Holweide, Vogelsang beziehen. Es werden schicke Geschäftszeilen entstehen mit schicken Designer-Namen (Media-Mall, City Forum, Eastside-Center...), es werden auch schicke Lofts entstehen, für den neuen Typ Arbeiter, der am Fließband stehend Sendungen produziert, und von dem man sich eines überhaupt nicht vorstellen kann: Dass er jemals von ergrauten Kollegen mit einem Frühstückskorb als verdiente Kraft der ersten Stunde in Rente geschickt wird.
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