Die Konzentration auf das Wesentliche

Im Rahmen der vierten Langen Nacht der Kölner Museen werden To Rococo Rot (Stefan Schneider, Ronald und Robert Lippok) im Museum für Angewandte Kunst (MAK) eine Soundinstallation aufbauen und auch live auftreten. Christian Meier-Oehlke und Stefan Schneider schlenderten durchs MAK und unterhielten sich über elektronische Musik im Museum, Sounddesign und die Viererkette im Ballsport.

Man kann sich in Köln kaum bessere Orte für Klänge aller Art vorstellen als das Foyer des Museums für Angewandte Kunst. Eine riesige Glasfront erlaubt den Blick in den geräumigen, seltsam ungenutzt erscheinenden Innenhof – einige Tische und Stühle der Museumscafeteria sind die Nachwehen eines heißen Sommers. Dahinter erinnert die Minoritenkirche daran, dass hier vor dem Abriss Mitte des vorletzten Jahrhunderts auch das Minoritenkloster zu Hause war. Von sakraler Strenge ist allerdings nichts zu spüren, jetzt atmen die Gemäuer höchstens den Formalismus der Architektur von Rudolf Schwarz. Eindrucksvoll ist zudem der wuchtige Treppenaufgang in den ersten Stock, demgegenüber wirken die dortigen, u-förmig angeordneteten Räume mit den vielen Vitrinen und Parzellen fast schon schüchtern. Irgendwo zwischen dem Kölner Bartmannkrug aus dem frühen 16. Jahrhundert und dem Indischen Raben aus Meißen werden Schneider und seine Kollegen Ronald und Robert Lippok am 8. November ihre Boxen aufstellen und ihre Version von Design präsentieren – Sounddesign natürlich.


StadtRevue: Muss elektronische Musik ins Museum?

Stefan Schneider: Elektronische Musik kann gut ins Museum, muss aber auch in anderen Räumen funktionieren. Wir haben über die ganzen Jahre schon an sehr vielen verschiedenen Orten Musik gemacht, zuletzt in einem Neusser Garten zusammen mit dem Produzenten Kurt Dahlke, und immer wieder in Clubs. Elektronische Musik hat viele Möglichkeiten, auf das Umfeld »Museum« zu reagieren. Die britische Band Zoviet France beispielsweise hat in Glasgow während des Auf- und Umbaus eines Museums verschiedene Sounds aufgenommen: Bohrmaschinen, die Rufe der Arbeiter usw. und daraus dann eine Musik für das Museum gemacht. Die Transformation einer Industriehalle zu einem Museum wurde auf diese Weise soundtechnisch hervorragend dokumentiert.

Was ist für Euch das Besondere am MAK, was ist das Reizvolle, hier zu installieren?

Bei unserer Arbeit für das Kölner Brett in Ehrenfeld haben wir versucht, mit den Maßen des Gebäudes zu arbeiten, dafür musikalische Entsprechnugen zu finden. Im MAK finden wir interessant, dass es sich bei den Ausstellungsstücken um die Kunst der Alltagsgegenstände handelt, zu der wir bislang eher wenig Bezug haben. Wir haben dann überlegt, welche Entsprechung man im Klangdesign finden kann. Wir werden mit Industriesounds arbeiten. In der Automobilbranche werden Türen und Innenräume auch nach bestimmten klanglichen Merkmalen konzipiert, der Innenraumsound wird den Erwartungen der Zielgruppe angepasst. Der Fahrer eines Mercedes möchte den Motor nicht unbedingt hören, ein Porschefahrer möchte den Motor hören und spüren. Also haben wir für die Installation Leute aus der Automobilbranche kontaktiert. In der Bibliothek wird jemand aus der Branche einen Vortrag über die verborgene Soundwelt beim Autobau halten.

Wobei Autos ja kein Schwerpunkt des MAK sind...

Stimmt, gar nicht. Immerhin gibt es im Raum des 20. Jahrhunderts einen Karmann Ghia, beneidenswert gut erhalten übrigens, wie neu. Dort konnten wir die Installation allerdings nicht machen, außerdem gehört der Raum auch nicht zu den Highlights des Museums. Im ersten Stock gibt es durch die Vielzahl der Räume die Möglichkeit, eine Mehrkanalsoundinstallation zu machen, die Sounds werden wandern.

Also wird die Installation formal freier aufgebaut sein, im Gegensatz etwa zur Architektur des Museums, die sehr streng und funktional gegliedert ist?

Dazu hatten wir uns auch was überlegt, weil wir das Gebäude, vor allem das Foyer und den gigantischen Treppenbereich ziemlich toll finden. Wir nehmen bei unserer Installation jetzt aber Bezug auf die Dinge, die ausgestellt werden und nicht so sehr auf den Rahmen, in dem das geschieht. Wir werden Sounddesign als Parallelwelt zum Alltagsdesign installieren. Unsere Arbeit ist auch eine Reaktion auf Inszenierungen, die hier vorher stattgefunden haben. Es gab Abende des Technolabel Kompakt, bei denen das Museum als reine Location genutzt wurde, ohne weiteren Bezug. So ein Ansatz ist für uns nicht interessant, aber zum Beispiel die Installation von Christopher Dell, einem Kölner Jazzmusiker, der auch für das Kölner Brett gearbeitet hat. Dell hat eine Publikumsbefragung durchgeführt und aus den Aussagen der Menschen eine Soundcollage gebastelt, die es bei der letzten Museumsnacht zu hören gab.

Wir werden für unsere Installation Radios verwenden, möglichst von der Firma Braun, die dann einen Bezug zu den Ausstellungsstücken herstellen; die Transformation der Klangkörper zu musealen Objekten. Robert Lippok kauft in Berlin gerade Radios aus den unterschiedlichsten Epochen, die wollen wir dann genau so präsentieren, wie das MAK seine Sammlung präsentiert, hier stehen ja Möbelstücke neben Vitrinen voller Vasen oder Löffel, nach Epochen geordnet oder vielleicht auch nach Gönnern des Hauses. Vielleicht geht die Sache ja weiter, und das MAK nimmt unsere Installation zum Anlass, sich eine Sound-Library zuzulegen. Wir haben bei unseren Recherchen die Erfahrung gemacht, dass es sehr wenig Orte gibt, die sich mit der Dokumentation von derartigem Material beschäftigen. Man muss Sounds eben auch als Alltagsdesign begreifen.

Hättet Ihr gerne mit den vorgefundenen Geräten gearbeitet?

Ja, das wäre super gewesen, das waren auch unsere ersten Fragen, ob es im MAK ein Soundarchiv gibt, ob man mit den Gegenständen des Museums was machen kann. Eine Soundabteilung gibt es leider nicht, die Abteilung für Design des 20. Jahrhunderts ist zu klein. Daneben gab es Einschränkungen aus akustischen und sicherheitstechnischen Gründen. So müssen wir jetzt unser eigenes Material mitbringen. Wir versuchen aber trotzdem, auszublenden, was wir vorher gemacht haben und werden uns nach besten Kräften auf die Situation im MAK einlassen. Wir konzentrieren uns auf das Wesentliche. Als Band werden wir nur bei dem Konzert im Foyer in Erscheinung treten.

Also könnten die BesucherInnen denken, das Eure Radios zum Museumsinventar gehören.

Könnte man denken oder zumindest für diesen Abend so betrachten. Wir werden 12 bis 14 Radios von den 40er Jahren bis heute verwenden, das wird eine kleine Werkschau der preiswerten Radios der letzten Dekaden sein.

Macht man sich über eine Installation für ein interessiertes Zufallspublikum einer Museumsnacht andere Gedanken als über eine Arbeit für ein reines Fachpublikum?

Klar, wir haben auch schon eine Sache für den amerikanischen Videokünstler Doug Aitken gemacht – der wollte unsere musikalische Umsetzung seines Themas »Alaska«. Mehr wollte er nicht verraten. Da haben wir also zu Alaska recherchiert und Musik zu Alaska gemacht. Aitken hat dann unsere Musik mit Originaltönen aus seinen Filmen – beispielsweise mikrophoniertes Eis – fusioniert, das hat ziemlich toll geklungen. Der Künstler Olaf Nikolai hat sich für eine Malereiarbeit einen Sound gewünscht. Da ging es um bestimmte Farben. Über solche Aufgaben macht man sich natürlich andere Gedanken als über die jetzige Installation, da hat uns niemand irgendwelche Vorgaben gemacht, wie wir zu dem ausgestellten Material Stellung beziehen sollen. Dass es im Rahmen der Museumsnacht ein Zufallspublikum geben wird, finden wir ziemlich toll, es gibt kein Fachpublikum, kein Musikpublikum, kein Fanpublikum.

Meiner Wahrnehmung nach funktioniert elektronische Musik live vor einem klassischen Konzertpublikum nicht mehr so gut wie vielleicht noch vor fünf, sechs Jahren.

Ich möchte unsere Musik keinesfalls als Hochkultur begreifen, abgesichert in einem musealen Raum. Elektronische Musik muss auch im Alltag funktionieren. Und es ist doch so: Obwohl elektronische Musik älter ist als Rockmusik, gibt es immer die gleichen Diskussionen über sie – analog zum Fußball, wo immer noch über den Sinn der Viererkette debattiert wird. Ob elektronische Musik jetzt kalt oder warm ist, gefühlt oder nicht, ob das live ist, wenn Musiker Maschinen bedienen, diese Debatte ist ermüdend, die Diskussion ist seit Jahren nicht weitergekommen. Gerade in den letzten Monaten habe ich nach längerer Zeit mal wieder tolle Elektronik-Konzerte gesehen, von Laptop-Performances bis zu Tattoo-Wahsinn.

To Rococo Rot
Nachdem die Berliner Brüder Ronald und Robert Lippok bereits zu DDR-Zeiten u.a. in der legendären Formation Ornament und Verbrechen gespielt hatten und ihr Leben zwischen Artschool-Bohème und musikalischem Unterground organisierten, entstand im Jahre 1995 anlässlich einer Ausstellung in einer kleinen Berliner Galerie das Projekt To Rococo Rot. Die Lippoks luden den damaligen Bassisten der Düsseldorfer Kritikerlieblinge Kreidler, Stefan Schneider, zur Zusammenarbeit an die Spree. Das Unternehmen wurde ein Erfolg, Name und Schneider blieben. To Rococo Rot wurde zum Synonym für die Versöhnung von Mensch und Maschine, von Melodie und Geräusch. Auf mittlerweile fünf Alben arbeitete das Trio u.a. mit dem New Yorker DJ I-Sound zusammen und entwarf für das Wohn- und Arbeitshaus »Kölner Brett« des Architekturbüros b&k+ den passenden Soundtrack, der auf dem Köln-Berliner Label Staubgold erschienen ist. Ihr neues Album wird im Frühjahr vom renommierten britischen Label Domino veröffentlicht.

Das Museum für Angewandte Kunst (MAK)
Das MAK ging aus dem am 11. Juni 1888 eröffneten Kunstgewerbemuseum hervor. Dessen Domizil stand zunächst am Hansaring. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Bau zerstört. Provisorien mit kleineren Sonderausstellungen in der Eigelsteintorburg und im Overstolzenhaus in der Rheingasse fanden erst 1989 ihr Ende, als die mittlerweile äußerst umfangreiche Sammlung an Gebrauchs- und Ziergegenständen in den 1957 von Rudolf Schwarz errichteten Komplex neben der Minoritenkirche einzog. Der Bau beherbergte bis 1986 die Museen Wallraf-Richartz und Ludwig, nach dem Auszug der Kulturgiganten erfolgte ein dreijähriger Umbau durch Walter Lom, um das Haus den Bedürfnissen des mittlerweile in Museum für Angewandte Kunst umbenannten neuen Mieters anzupassen. Seinem Selbstverständnis nach präsentiert das MAK Alltagsgegenstände zum Essen,Trinken, Ausspannen oder Arbeiten größtenteils aus dem europäischen Raum vom Mittelalter bis zur Gegenwart in nüchterner Anordnung und sachlicher Präsentation. Vom 8. bis zum 16. November gibt es im MAK die Sonderausstellung: »Elektrovillage. Zeitgenössische Fotografie und elektronische Musik«.