Konkurrenzlos glücklich
Wahrscheinlich gibt es nicht viele Sportvereine, die sich rühmen können, nie eine Meisterschaft gewonnen und nie ein Vereinsheim besessen zu haben. Aber nicht nur deshalb war der »Verein für Sport und Körperkultur« irgendwie eigenartig.
Verein für Sport und was bitte? Schon bei der Gründung im Februar 1981 wirkte der Name etwas befremdlich. Körperkultur — was sollte das sein? Gymnastik? Körperpflege? FKK? Die Idee, einen neuen, »alternativen« Sportverein zu gründen, kam von linken Studenten der Kölner Sporthochschule und einigen Autoren der StadtRevue. Sie waren auf der Suche nach einer neuen Form, Sport zu treiben — ohne Leistungsprinzip und ohne Vereinsmeierei. Das Wort »Körperkultur« hatten sie aus der Frühgeschichte der Arbeitersportbewegung entlehnt. »Körperkultur« galt da als Gegenmodell zu den patriotisch-militaristischen »Leibesübungen« von Turnvater Jahn.
Noch mehr Bekenntnis packten die Vereinsgründer in ihr »Manifest des VSK«. Man könnte meinen, Karl Marx hätte hierfür noch einmal zur Feder gegriffen: »In einem Sport, der sich nicht in die Verhältnisse einmischen möchte, in denen er stattfindet, mischen sich diese Verhältnisse ein. Dies bekommt zum einem dem Sport nicht, weil er ein lebloser Spiegel einer konkurrenz- und erfolgsorientierten Gesellschaft bleibt. Zum anderen wird aus der vermeintlichen politischen Abstinenz unversehens eine politische Bestätigung der herrschenden Verhältnisse.«
Zum Auftakt veranstaltete der VSK ein Sport- und Spielefest auf den Jahnwiesen. Auf dem Programm standen nicht nur ein Fußballturnier von Freizeit-Kickern, sondern auch Rock’n’Roll und Jazztanz, Rollstuhlbasketball und Sommer-Ski. Außerdem gab es Infostände von Kölner Bürgerinitiativen, Zirkus, Blasmusik und Kabarett. Für Kölner Verhältnisse war es ein großes Ereignis, nur die Stadtverwaltung tat sich etwas schwer mit der Einordnung: »Die Bezirksverwaltungsstelle wird zusätzliches Personal zu Kontrollzwecken einsetzen, um sicherzustellen, dass die Grundidee dieser Veranstaltung — Spielefest — nicht von Einzelnen oder Gruppen missbraucht wird (politische Aktionen oder Aktionen Umweltschutz usw.) Die Polizei hat ggf. ihre Unterstützung zugesagt.«
Zumindest in den ersten Jahren war der VSK eben noch kein Sportverein wie jeder andere. Das zeigte sich auch im Kursangebot: Neben Volleyball und Basketball wurden beispielsweise auch Bewegungstanz angeboten, Frauenselbstverteidigung, Massage oder Tai Chi. Und natürlich beteiligte sich der Verein auch an Demonstrationen und Blockaden der Friedensbewegung, inklusive gemeinsamer Hin- und Rückfahrt per Fahrrad. Ende der 80er Jahre suchte man sich noch ein weiteres Betätigungsfeld: »Sport im Knast«. VSK-Mitglieder spielten in Ossendorf gegen Häftlinge Fußball, Volleyball und Basketball, normalerweise getrennt nach Frauen und Männern, aber einmal sogar in gemischten Teams. Dass man Knackis weder abschreiben noch vergessen sollte, gehörte damals noch zum linken Selbstverständnis. Die Resonanz der Gefangenen war verhalten positiv. Einer sagte: »Macht mehr Spaß als immer nur gegen die Zollfahndung zu spielen.« Der VSK bilanzierte: »Wir sind der einzige Verein, der mehr als zwei Mal im Knast war und der nicht nur aus Beamten besteht.«
Bereits beim zehnjährigen Bestehen war von dem sportpolitischen Elan des Vereins aber kaum noch etwas übrig. Der VSK sei nur noch ein Dienstleistungsbetrieb, klagte ein Vorstandsmitglied 1991. Doch der Betrieb lief auch ohne Politik weiter. Heute sind es noch sechzig Bewegungswillige, die sich beim Volleyball, Basketball, Fußball und Handball verausgaben. Am Ende siegte die Faulheit: Zuletzt fand sich niemand mehr, der die Vorstandsarbeit machen wollte, weshalb der Verein sich jetzt auflöst. Es soll aber weitergehen: Geplant ist der kollektive Eintritt in den TV Rheingold Zündorf in Porz.