Wortkarges Pathos
Wenn im amerikanischen Kino ein Gesetzeshüter wenige Stunden vor seiner Pensionierung partout nicht von der Polizeiarbeit lassen will, steht unweigerlich der Schatten von Gary Coopers Sheriff Kane im Raum. Doch nicht etwa »High Noon« gab das filmhistorische Vorbild für »Das Versprechen« ab, sondern eine europäische Koproduktion aus dem Jahre 1958: Jack Nicholson spielt in Sean Penns dritter Regiearbeit jene Rolle, die einst Heinz Rühmann in Ladislao Vajdas »Es geschah am hellichten Tag« verkörperte.
Von der amerikanischen Kritik wurde Nicholson allgemein bescheinigt, dass dies seine nuancierteste Darstellung seit Ewigkeiten sei. Tatsächlich geht aus seinem Spiel nie ganz eindeutig hervor, wie weit Detective Jerry Black bewusstem Kalkül folgt, wenn er die Tochter einer ahnungslosen Kellnerin (Robin Wright Penn) als Lockvogel für einen Mädchenmörder missbraucht. Penn legt seinen Protagonisten als introvertierten altmodischen Cop an, dem nach dem Ausscheiden aus dem Dienst die gähnende Leere seines Privatlebens entgegen schlägt, bis er diese mit der obsessiven Suche nach einem Serientäter füllt. Dabei inszeniert Penn seinen Schauspielerkollegen Nicholson wie schon in »Crossing Guard«, dem zweiten Film, bei dem er Regie führte, mit Hang zu wortkargem maskulinem Pathos. Dramatisch hebt sich Blacks isolierte Figur vor der majestätischen Landschaft Nevadas ab, und seine zunehmende Besessenheit wird mit langem erzählerischem Atem und weit ausholendem Gestus beobachtet – um dann gelegentlich umso plakativer betont zu werden. Letzteres gilt insbesondere für den pessimistischen Schluss, der, anders als Vajdas Film, Friedrich Dürrenmatts ursprünglicher Drehbuchvorlage und späteren Romanfassung folgt.
Von Zeit zu Zeit nehmen sich allerdings sowohl der Regisseur als auch sein Hauptdarsteller dezent zurück, um prominenten Kollegen die ungeteilte Aufmerksamkeit des Publikums zu überlassen. Eine stattliche Zahl mehr oder minder großer Stars hat in »Das Versprechen« kleine Nebenrollen übernommen, denen Penn freimütig jeweils ein, zwei kurze Szenen schenkt. Also erhalten der Reihe nach Vanessa Redgrave, Mickey Rourke, Harry Dean Stanton und Helen Mirren ihren überproportionalen Anteil an Großaufnahmen. Ihnen allen hat indes zuvor Benicio Del Toro die Schau gestohlen: Als ein zu Unrecht beschuldigter Indianer versteckt er sich eine Szene lang unter einer langen verfilzten Mähne, blickt nervös an der Kamera vorbei, murmelt unverständliche Laute und schießt sich schließlich das Gehirn aus dem Kopf.
Das Versprechen (The Pledge) USA 01, R: Sean Penn, D: Jack Nicholson, Patricia Clarkson, Benicio Del Toro, 122 Min. Start: 11.10.