Weiß gewaschen
> Philip Roth ist in einem Alter, in dem jedes Buch das letzte sein könnte. Vielleicht wählte er deshalb für seinen bislang letzten Roman einen Titel, der biblische Assoziationen aufkommen lässt und Universelles verheißt. »Der menschliche Makel« – ein unbestimmter Artikel hätte es ganz bestimmt auch getan – ist die fantastische Geschichte vom Aufstieg und Fall des Universitätsprofessors Coleman Silk, die Robert Benton nun mit Anthony Hopkins und Nicole Kidman verfilmt hat. Es ist eine gelungene Literaturverfilmung, weil sie die Stärken der Vorlage umsetzt und die Schwächen auslässt. Schwach im Roman sind die nach Altmännerschweiß riechenden Fantasien, die Roth in Silks letzter Liebe zu einer wesentlich jüngeren Putzfrau anlegt; Regisseur Benton erspart dem Zuschauer die vermeintlichen Genüsse jüngerer Frauen an Viagra-renovierten Geschlechtsteilen, und er erspart dem Zuschauer, dass der Fall des Coleman Silk in einer zurückgewiesenen Liebe im Kollegium seine schnöde Ursache haben soll.
Stark ist Anthony Hopkins als Dekan und Professor für altgriechische Tragödien, der seine Laufbahn glanzvoll zu Ende bringen könnte, wenn sie nicht auf einer Lüge aufgebaut wäre. Diese verhindert auf perfide Weise, dass der Fast-Emeritierte die Katastrophe abwenden kann, auf die er zusteuert. Silk wird vor die Tribunale der Political Correctness seiner Akademie zitiert und muss sich gegen den Verdacht einer rassistischen Behauptung verteidigen. In einer Vorlesung hatte er nach zwei Studentinnen gefragt, die seit Semesterbeginn noch nie erschienen waren. Silk fragt in den Hörsaal nach dem Verbleib der »spooks«, wie es im Original heißt, der »dunklen Gestalten«. Eine der Abwesenden erfährt davon, ist schwarzer Hautfarbe und sieht sich diskriminiert. Silk steht die nachfolgende semantische Inquisition nicht durch, gibt auf und alle Ämter ab. Dabei müsste er doch nur seine Lüge offenbaren, dass er selber afroamerikanischer Abstammung ist. Doch das geht nicht mehr. Silk hat seit seiner Jugend zu gut gelogen: Er gilt für alle in seinem Umfeld als weißer jüdischer Intellektueller.
In Rückblenden wird Silks »racial passing«, seine Konstruktion einer in Amerika Erfolg versprechenderen Identität nachgebaut; wann er beschließt, weiß zu werden, warum er es beschließt, und wie er es fast bis zum Schluss durchhalten kann, obwohl er sogar seine Eltern opfern musste. Die Lüge zerstört sich schließlich selbst, und so auch ihren Erfinder. Eine Lüge, die nur gelogen werden musste, weil Identität noch immer von anderen definiert wird.
Der menschliche Makel (The Human Stain) USA 03, R: Robert Benton, D: Anthony Hopkins, Nicole Kidman, Ed Harris, 108 Min. Start: 18.12.