Der schweigende Populist
Es ist einer der folgenreichsten Tabubrüche der Kölner Politik. CDU-Ratsmitglied Henk van Benthem hat sich Ende Juni in Porz mit den Stimmen der rechtsextremen Bewegung Pro Köln zum Bezirksbürgermeister wählen lassen. Nach der Kommunalwahl fehlten der CDU drei Sitze für die Mehrheit. SPD, Grüne und Linke standen nicht als Partner bereit. Ihnen sei der CDU-Mann schon vor zwei Jahren bei einer Veranstaltung gegen die Unterbringung von Flüchtlingen unangenehm aufgefallen, wie die Porzer Fraktionschefs Christian Joisten (SPD) und Dieter Redlin (Grüne) sagen. Die FDP-Kandidatin Elvira Bastian hatte damit freilich kein Problem, ebenso wenig wie die Vertreterinnen von Pro Köln und AfD. So kam van Benthem ins Amt, und er hat vor, diesen Skandal schweigend auszusitzen. Zurecht weisen sowohl Joisten als auch Redlin darauf hin, dass die CDU damit auch gegen Resolutionen verstößt, die sie selbst unterzeichnet hat, und die verhindern sollen, dass die Menschenverachtung der Rechtsextremen gesellschaftsfähig wird.
Eine Aktuelle Stunde im Rat der Stadt befasste sich mit Henk van Benthem, später dann auch die Bezirksvertretung Porz. Aber van Benthem schweigt. Unterstützt wird er darin vom Kölner Fraktions- und Parteichef Bernd Petelkau und dem notorischen Porzer CDU-Chef Walter Reinarz, der als KVB-Vorstand nach dem Stadtarchiv-Einsturz abgesetzt wurde. Petelkau soll van Benthem angehalten haben, für eine stabile Mehrheit in der Bezirksvertretung zu sorgen — das kann van Benthem nicht gelingen. Und solange er nicht zurücktritt, schwächt er die Porzer Interessen.
SPD, Grüne und Linke fordern weiter den Rücktritt. Das zeigt aber kaum noch Wirkung. Die persönlichen Erklärungen im Rahmen der Geschäftsordnung kamen nicht nur der schlechten Akustik wegen nicht bei den Zuhörern an. Unter den Porzern scheint sich die Auffassung durchgesetzt zu haben, die Parteien sollten »endlich Politik machen, statt sich mit sich selbst zu beschäftigen«, wie es eine Besucherin formulierte — allein damit aber sind die Rechtsextremen, die van Benthem ins Amt hievten, schon rehabilitiert. In der Sitzung Ende Oktober lässt van Benthem die Rücktrittsforderungen erneut unkommentiert, düpiert so ein weiteres Mal SPD und Grüne, und geht danach zur Tagesordnung über. Später scherzt er als Sitzungsleiter bei einem verkehrspolitischen Änderungsantrag über Joistens unleserliche Handschrift und nennt ihn »den lieben Christian«. Wie soll Joisten damit umgehen? Und als die Pro-Köln-Abgeordnete sich abfällig über Flüchtlinge äußert, ist es ausgerechnet van Benthem, der sie zurechtweist und lautstark von »unserer moralischen Verpflichtung, diesen Menschen nicht die Tür zuzuschlagen« spricht. Benthem ist Populist, und er weiß, wie man Menschen fängt.
Aus Protest gegen Henk van Benthem kündigte Vize-Bezirksbürgermeister Ulf Florian (SPD) seinen Rücktritt an. Doch dieses Signal beeindruckt die CDU offenbar ebenso wenig wie die Tatsache, dass NRW-Bauminister Michael Groschek (SPD) sich nicht mit van Benthem bei der Eröffnung einer Wohnsiedlung in Porz-Westhoven zeigen will. Zwar wollen Joisten und Redlin bemerkt haben, dass viele Porzer Vereine auf Distanz zum Bürgermeister gingen. Aber ein Blick in die lokale Presse zeigt van Benthem strahlend auf Empfängen von Schützen- und Karnevalsvereinen. Die Anzeigenblätter Porz am Montag und Kölner Wochenspiegel, Leitmedien in Porz, bringen gefällige Interviews mit van Benthem, in denen sie den Skandal einfach ignorieren. Überhaupt ist die politische Stimmung in Porz von kleinbürgerlichen, vermeintlich »unpolitischen« Interessenvertretern geprägt. Auch fehlt es an klaren Stellungnahmen etwa des Bürgervereins Porz-Mitte oder der IG Porz. Und so wird van Benthem mit jedem weiteren Tag darin bestärkt, er könne diesen Tabubruch unbeschadet überstehen. Proteste vor dem Rathaus gab es nur zur ersten Sitzung nach van Benthems Wahl, eine stümperhafte Online-Petition scheiterte kläglich. Allein mit einer Zweidrittelmehrheit könnte Henk van Benthem in der Bezirksvertretung abgesetzt werden. Dafür benötigten SPD, Grüne und Linke noch fünf weitere Stimmen. Die könnten sie bei geheimer Abstimmung allenfalls durch Abweichler in der CDU bekommen. Die Kritik an van Benthem habe aber in der CDU-Fraktion zugenommen, glaubt Redlin.
Der Fall zeigt, wie die lokale Presse sich vom Charisma eines Populisten einfangen lässt. Wie Vereine und Initiativen sich einer Stellungnahme opportunistisch enthalten. Wie die Stimmung sich allmählich gegen den Protest statt gegen den Skandal richtet. Und wie schwierig es werden wird, zu verhindern, dass Henk van Benthem nicht noch weiter Porz schadet und die Rechtsextremen aufwertet.