In der Zwickmühle

Der Film- und Medienstiftung NRW werden 2015 die Mittel gekürzt — auch sonst weht der deutschen Filmförderung der Wind scharf ins Gesicht

Um 3,1 Millionen Euro kürzt der WDR ab 2015 seinen Zuschuss an die Film- und Medienstiftung NRW. Das klingt zunächst nicht dramatisch im Verhältnis zu den mehr als 16 Millionen, die bislang jährlich nach Düsseldorf geflossen sind. Faktisch sind es aber 100 Prozent der freiwilligen Leistungen des Senders an die Filmförderung. Mit anderen Worten: Mehr zu kürzen, war nicht möglich, da das WDR-Gesetz regelt, dass ein bestimmter Anteil aus den Rundfunkgebühren für die Film- und Hörspielförderung einzusetzen sind. Eine leidenschaftliche Unterstützung für den deutschen Film sieht anders aus. Begründet wird die Kürzung mit dringend nötigen Sparmaßnahmen, um nicht ab 2016 in ein Haushaltsdefizit zu schlittern.

 


Parallel dazu kündigte auch das Lans Nordrhein-Westfalen an, nächstes Jahr seine Mittel an die Förderinstitution um eine Million auf 9,6 Millionen zu reduzieren. Wobei sich diese Änderung faktisch in größerem Maße erst 2016 auswirken wird, da auch die Film- und Medienstiftung noch bis Ende März 2015 von der Umstellung der Rundfunkbeiträge auf eine Zwangs­abgabe profitiert — und zwar un­­gefähr in Höhe der Kürzungen des Landes. Mit der Senkung der Gebühren zum 1. April 2015 werden diese zusätzlichen Mittel ­allerdings versiegen.

 


Da von jedem Euro, den die Film- und Medienstiftung in Förderung steckt, mindestens das Anderhalbfache in NRW ausgegeben werden muss, werden die finanziellen Auswirkungen auf hiesige Filmschaffende und Dienstleister — Studios, Kameraverleiher, Produzenten, Regisseure, Schauspieler bis hin zu ­Fahrern, Caterern und Absperr­hilfen — noch deutlich größer ausfallen. Zusätzlich werden sie auch betroffen sein von der Kürzung des Deutschen Filmförderfonds von 60 auf 50 Millionen, die im November vom Bund beschlossen wurde — und das obwohl der gesamte Kulturhaushalt um gut vier Prozent erhöht wurde.

 


Der Filmförderung bläst aber noch von anderer Seite ein scharfer Wind ins Gesicht: 2014 erschienen eine rekordverdächtige Zahl an Artikeln, Kommentaren und Po­lemiken, die das deutsche ­Fördersystem grundsätzlich in Frage stellen. Überschriften wie »Schlech­te Filme, vom Steuerzahler subventioniert«, »Wie Fördergelder den deutschen Film ruinieren« oder »Die bittere Bilanz der deutschen Filmförderung« sprechen eine deutliche Sprache. Die Filmförderung sitzt in einer ähn­lichen Falle wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk: Werden Publikumslieblinge wie Til Schweiger, Matthias Schweighöfer oder Bully Herbig gefördert, muss die Frage gestellt werden, warum diese Filme nicht auch auf dem freien Markt finanziert werden können — zumal bei den aktuell niedrigen Zinsen. Werden dagegen in erster Linie der Nachwuchs und künstlerisch herausfordernde Projekte unterstützt, die aber kaum Zu­schau­er ziehen, wird die Kino­branche protestieren und eine breite Öffentlichkeit, die ihre ­Gelder für Nischenprojekte verschleudert sieht.

 


In der Praxis schwankt man also immer zwischen beiden Polen und versucht die Widersprüche zwischen Wirtschaftssubvention und Kulturförderung zu verschleiern — unter anderem mit dem Argument Qualität und (Kassen-)Erfolg hingen ursächlich zusammen. Eine Behauptung, die umgekehrt auch bei den Kritikern immer wieder anzutreffen ist. Der mangelnde wirtschaftliche Erfolg deutscher Filme — im Verhältnis zu Hollywood — wird hier als Beweis für die schlechte Qualität des heimischen Filmschaffens gewertet. So einfach ist es natürlich nicht: Weder sind erfolgreiche Filme automatisch gute Filme, noch sind wenig erfolgreiche Filme automatisch große Kunstwerke (und umgekehrt).

 


Der unmögliche Spagat zwischen den beiden Funktionen der Förderpolitik führt tatsächlich dazu, dass zu viele Filme entstehen, die im Endeffekt weder profitables Konsumgut noch Kunst sind. Filme, die nach den gleichen Drehbuchschulen entstehen, die für die Gleichförmigkeit vieler Hollywoodproduktionen verantwortlich sind, die aber vordergründig irgendein gesellschaftspolitisches Problem abhandeln. Solcherart dröges »Themenkino« ohne Bewusstsein für seine Form wird weder auf Festivals Erfolge feiern noch an den Kinokassen. Hinzu kommen immer mehr austauschbare Filme — gerne Komödien — für das neu entdeckte Publikumssegment der »Best Ager«. Doch nur weil ein Film nicht für Teenager gemacht ist, heißt das noch nicht, dass er mehr Gehalt hat als ein beliebiger Blockbuster — und seit der Vertreibung und Ermordung jüdischer Filmschaffender in der Nazizeit sind Komödien auch nicht unbedingt die Stärke deutschen Unterhaltungskinos.

 


Dennoch scheint es, dass die Filmförderungsgegner — bezeichnenderweise sind es meist keine Filmkritiker — nur wenige (oder die falschen) deutsche Filme sehen. Denn nach den düsteren 90er Jahren lässt sich durchaus eine positive Entwicklung feststellen. Namen wie Maren Ade, Valeska Grisebach, Ulrich Koehler oder Christoph Hochhäusler mögen vielen kein Begriff sein, aber sie und mindestens ein dutzend weitere junge bis mittelalte Regisseure haben in den letzten Jahren hervorragende Filme produziert. Und auch wenn Cannes sich weiterhin dem deutschen Film verschließt, gilt international deutsches Kino durchaus als angesagt, was sich etwa bei der großen Berliner-Schule-Schau im New Yorker Museum of Modern Art gezeigt hat oder beim Erfolg der Dominik-Graf-Retrospektive, die durch verschiedene europäische Festivals tourte.

 


Interessant wird sein, zu beobachten, inwiefern die gesunkenen Produktionskosten durch die digitale Revolution tatsächlich zu einem lebendigen deutschen Kino jenseits der Förderanstalten führen wird oder ob ein Phänomen wie »Love Steaks« eine Ausnahme bleibt. Dessen Regisseur Jakob Lass will für seinen neuen Film »Fogma #2« allerdings auch nicht mehr auf Förderung verzichten: 30.000 Euro für die Entwicklung seines Stoffs hat er vom Medienboard Berlin Brandenburg bereits bewilligt bekommen.