Wolkenkuckucksheime
Das Publikum sitzt auf der Bühne unter unzählige Lampen, die von der Decke hängen. Man fühlt sich wie in einem Wohnzimmer. Es ist gemütlich und gibt Weißwein für alle. Jedoch nur den von der Mosel. Der rheinische verursache Durchfall. Da sind sich die vier Freunde schnell einig, die inmitten der Zuschauer auf der Bühne im Titelgebenden »Chambe d’amis« sitzen. Initiiert wurde es von der Compagnie Selma95 aus Lausanne und dem Kölner Theaterkollektiv Futur3.
Wir erfahren, dass Anne-Lise und Jean-Pierre das deutsche Pärchen Petra und Thomas besuchen und dass »Schwarze Suppe« ein französischer Ausdruck für Durchfall sei. Mit Thomas hat Anne-Lise zu Studentenzeiten mal nackt im See gebadet. »Aber ohne jegliche Zweideutigkeit«, betont er. Dafür fällt seine Begrüßung jedoch stürmisch aus. Verlegen stehen sich die beiden Paare dann gegenüber und stolpern über die deutsch-französische Sprachbarriere. Autor und Dramaturg Antoine Jaccoud hat hier ein Freundesspektakel geliefert, dessen Textflächen mehr absurde Begriffsumkreisung sein wollen als Dialogspiel. Was bedeutet Freundschaft? Wie verständigt man sich? Die Schauspieler stammeln sich zweisprachig durch die Satzfragmente.
Vollkommen lost in translation ist Jean-Pierre. Er schleicht sich davon, um den Kölner Dom zu besichtigen. Vincent Fontannaz spielt ihn lässig, verstummt aber dann zum verwirrten Angsthasen. Als er zurückkommt, gibt ihm Thomas (Stefan H. Kraft) zu verstehen, dass er niemals ohne die anderen hätte gehen dürfen. »Der Freund ist frei, aber« ist eines seiner strengen Mantren.
Die bruchstückhaften Sprachgefechte nehmen Fahrt auf — die Themen wiederholen sich in Endlosschleife: das liebevoll eingerichtete »Chambre d’amis«, das Symbol für die Freundschaft, für das es keine passende Übersetzung ins Deutsche gibt, die abführende Wirkung des Weißweins, das unzweideutige Nacktbaden. All das bringen Rebecca Madita Hundt und Françoise Boillat als Petra und Anne-Lise in ihrer Performance gekonnt auf den Punkt. Was fehlt, ist eine clevere Dialektik. Die Wiederholungen münden pointenfrei ins Nichts. Die Komik speist sich eher aus eingestreuten Beziehungsklischees oder kleinen Albernheiten. Die Schauspieler werfen mit Brot und bespucken sich mit Wein. OK, vielleicht müssen das Freunde aushalten können. Nur: so verläuft sich der Abend irgendwo zwischen Boulevard, Sprachperformance und zynischer Freundschaftsanalyse.