Auf diese Pflanze wollen sie bauen: Cannabis Sativa | Foto: birdya/photocase

Grün ist die Hoffnung

Piraten und Grüne wollen in der Innenstadt einen Coffeeshop eröffnen

Wer bei gutem Wetter die Maastrichter Straße im Belgischen Viertel entlang geht, dem weht manchmal der süßlich-penetrante Duft eines Joints entgegen. Das soll in Zukunft häufiger vorkommen — zumindest, wenn es nach dem Willen von Piratenpartei und Grünen in der Bezirksvertretung Innenstadt geht.

 

Mitte Dezember haben sie dort einen gemeinsamen Antrag eingebracht, der »eine kontrollierte Abgabe von Cannabisprodukten in lizenzierten Abgabestellen in der Kölner Innenstadt« fordert. Nötig ist für diesen Modellversuch eine Ausnahmegenehmigung, zudem soll er durch einen runden Tisch aus Polizei, Politik, Verwaltung sowie Wissenschaftlern begleitet und evaluiert werden. »Die Verwaltung sollte sich mit dem Thema beschäftigen«, erläutert Thomas Geffe (Piraten), der den Antrag in die Bezirksvertretung eingebracht hat. »Ich habe die Grünen als Partner gewonnen. Wenn die das fordern, bekommt das natürlich mehr Gewicht«, erklärt er. Andreas Hupke, grüner Bezirksbürgermeister, ergänzt: »Ich fand den Vorschlag klasse, also haben wir mitgemacht.« Der Konsum von Cannabis werde tagtäglich gelebt. »Das merkt jeder, der mit offenen Augen und feiner Nase durch die Stadt geht.« Am 11. Dezember wurde der Antrag in der Bezirksvertretung angenommen. »Ich bin zuversichtlich, dass die Mehrheit steht«, sagte Andreas Hupke schon vor der Abstimmung.

 

Unabhängig vom Ergebnis gilt jedoch: Wer sich auf die baldige Eröffnung des ersten Coffeeshops in Köln freut, dürfte enttäuscht sein. Beschlüsse der Bezirksvertretungen können vom Stadtrat überstimmt werden. »Da müssen wir dicke Bretter bohren«, befürchtet Hupke. Bislang sind die Reaktionen aus der restlichen Kölner Politik zurückhaltend bis ablehnend. »Die Ratsfraktion der Grünen hat noch keine Stellungnahme abgegeben«, sagt Christiane Martin (Grüne). Als »Antrag mit reinem Showcharakter« bezeichnet Frank Schneider (SPD) den Vorstoß. Die Legalisierung von Cannabis müsse von Bund und Ländern beschlossen werden. »Das ist ein kommunales Anliegen«, findet dagegen Thomas Geffe. »Schließlich sind diese ja auch von den Problemlagen betroffen.« Und Andreas Hupke ergänzt: »Die Diskussion darf an Köln nicht vorbeigehen.«

 

Damit liegt er auf Parteilinie. Auch in anderen Großstädten sind es grüne Lokalpolitiker, die sich für eine kontrollierte Abgabe von Marihuana stark machen. In Berlin will die Kreuzberger Bürgermeisterin mithilfe eines Coffeeshops den Dealern im Görlitzer Park das Geschäft zerstören. In Frankfurt hat die grüne Gesundheitsdezernentin im November einen Modellversuch initiiert, der dem Kölner Vorschlag nicht unähnlich ist. »Wir stehen ganz am Anfang«, erklärt Regina Ernst vom Frankfurter Drogenreferat. Eine Ausnahmegenehmigung für die legale Abgabe von Heroin zu erhalten, habe fünf Jahre gedauert.

 

Gemeinsam haben diese Vorhaben, dass die legale Abgabe von Marihuana zuerst ordnungspolitische Probleme lösen soll. In Köln wurden im letzten Jahr 2977 Cannabis-Delikte von der Polizei zur Anzeige gebracht, in nur 374 davon ging es um illegalen Handel oder Schmuggel. Verfahren wegen Cannabiskonsum oder -besitz werden aber regelmäßig wegen Geringfügigkeit eingestellt. Aus diesem Grund hat sich die Gewerkschaft der Polizei dafür ausgesprochen, Cannabiskonsumenten wegen geringer Mengen nicht mehr zu verfolgen. In der ersten Sitzung der Bezirksvertretung Innenstadt nach der Kommunalwahl erklärte auch Polizeipräsident Wolfgang Albers mit Blick auf den Marihuana-Verkauf an der Treppe von der Philharmonie zum Rhein: »Das Problem kann mit polizeilichen Mitteln allein nicht gelöst werden.« Für Andreas Hupke und Thomas Geffe war das eine Bestätigung, dass ihr Antrag der richtige Weg ist. »Wenn der Staat die Prohibition einhalten möchte, dann braucht er zusätz­liches Personal und wird es trotzdem nicht schaffen«, erklärt Hupke. Seine Meinung wird von einer Reihe von Strafrechtlern geteilt, die sich im Schildower Kreis zusammengeschlossen haben. »Die überwiegende Zahl der Drogenkonsumenten lebt ein normales Leben«, heißt es in ihrer Erklärung. »Menschen mit problematischem Drogenkonsum brauchen Hilfe. Die Strafverfolgung hat für sie und alle anderen nur negative Folgen.«

 

Damit stehen die Strafrechtler für einen Paradigmenwechsel in der Debatte um die Legalisierung von Cannabis. Ende der 90er Jahre stritten sich Verfassungsrechtler noch darum, ob sich aus dem Grundgesetz ein »Recht auf Rausch« ableiten ließe, mittlerweile stehen Fragen der Effizienz von Polizeiarbeit und der ökonomischen Bedeutung des Cannabishandels im Vordergrund. Der Stern titelte vor ein paar Wochen »Die bekiffte Republik«. In der dazugehörigen Titelgeschichte schwärmten die Autoren, dass die Legalisierung von Cannabis in den USA den amerikanischen Unternehmergeist neu beflügelt habe. In deutschen Kinos laufen zudem im Moment Pro-Cannabis-Werbespots des Hanfverbands. In einem der Clips drücken zwei Drogendealer einem Politiker einen Koffer voll Geld in die Hand. »Mein Mann in der Politik — der sorgt dafür, dass Hanf niemals legalisiert wird.« Die Botschaft: Am Drogenhandel verdienen im Moment die Falschen. »Die Kohle, die die Dealer machen, ist eine richtig attraktive Steuereinnahme«, sagt auch Andreas Hupke.

 

Trotz aller Argumente für die Legalisierung von Cannabis — welche Form die Abgabestelle haben wird, haben Piraten und Grüne in ihrem Antrag offen gelassen. Das führt zu Kritik. »Warum sollte in Coffeeshops möglich sein, was in Raucherclubs verboten ist?«, fragt etwa Regina Börschel von der SPD mit Blick auf das Nichtraucherschutzgesetz. Sie bezeichnet den Vorstoß von Piraten und Grünen als »viel Rauch um nichts«. Am Nichtraucherschutz werde es nicht scheitern, meint dagegen Andreas Hupke. »Zur Not machen wir ein Freiluft-Café«. Auch Fragen des Jugendschutzes sind noch offen, etwa ob es eine Art Mindestentfernung zu Schulen geben soll. »Das lässt sich klären«, findet Thomas Geffe von den Piraten. »Ich denke nicht, dass der Schwarzmarkt einen besseren Jugendschutz garantieren kann.«

 

Seine Partei hat in der Vergangenheit bereits ein recht konkretes Konzept für eine Abgabestelle vorgelegt: den Cannabis Social Club. Das ist ein Verein zum Cannabisanbau, in dem man ab 18 Jahren Mitglied werden kann. Die Mitglieder bauen gemeinsam Cannabispflanzen an, ein Gramm täglich darf mit nach Hause genommen werden, der Handel oder die Weitergabe an Dritte ist verboten. In Uruguay sind solche Social Clubs bereits Realität, nachdem das uruguayische Parlament 2013 ein Gesetz verabschiedet hatte, das den staatlichen Verkauf von ­Marihuana legalisierte. Damit sollen sowohl die Finanzierungsquellen der Drogenkartelle ausgehebelt als auch die Prävention des Cannabiskonsums leichter gemacht werden.

 

»Bislang gibt es noch keine belastbaren Aussagen, welche Folgen die Legalisierung in Uruguay hat«, sagt Oliver Huth vom Bund deutscher Kriminalbeamter (BDK). Es gebe Hinweise, dass Marihuana eingeschmuggelt werde, um es billger als auf dem legalen Markt anzubieten. Sein Verband unterstützt die Entkriminalisierung von Cannabiskonsum, ist aber nicht für eine Legalisierung. »Das Strafrecht mit seinen Verbotsnormen kann bei der Prävention kaum greifen«, erläutert Huth. Es könne bei Jugendlichen abschreckend wirken, »aber ob der Kontakt mit der Polizei bei Erwachsenen dazu beiträgt, dass diese drogenfrei ihr Leben gestalten«, sei fraglich. Eine bessere Alternative habe man in Portugal eingeführt, wo Drogenkonsumenten nicht als Kriminelle, sondern als Patienten behandelt würden.Cannabis ist dort weiter illegal, aber mit Drogen erwischte Nutzer müssen vor einem speziellen Komittee ihren Drogenkonsum schildern und erhalten psycho­logische oder medizinische Hilfe.

 

Der Vorstoß von Piraten und Grünen kommt also zur richtigen Zeit. Und auch wenn es bis zum ersten Coffeeshop in Köln noch ein weiter Weg ist, hat Andreas Hupke schon jetzt einen Ort im Auge: »Die Maastrichter Straße wäre ein guter Standort — dann wäre auch eine Verbindung zum Vorbildland gegeben.«

 

Text: Christian Werthschulte

 

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