Müngersdorfer Stadion: Köln ist nicht Freiburg
Es steht fest: Ende Dezember beginnt der Bau des neuen Fußballstadions in Müngersdorf. Mit 215 Millionen Mark Baukosten darf es sogar um 30 Millionen teurer werden als geplant. Schöner wird es deshalb noch nicht, aber vielleicht entspricht es ökologischen Standards? Wir sprachen mit Michael Müller und Joachim Decker von der Energieagentur Nordrhein-Westfalen über Möglichkeiten und Chancen eines energieffizienten und ökologischen Stadionbaus in Köln. Die Energieagentur informiert im Auftrag des Landes über ökonomische Energieverwendung sowie über den Einsatz unerschöpflicher Energiequellen und vermittelt im Bedarfsfall Hilfeleistungen.
Herr Müller, in Köln wird ein neues Fußballstadion gebaut. Da dürften einem Energieexperten doch spontan die Finger jucken...
Müller: Für ein solches Bauwerk ein modernes Energiekonzept zu entwickeln, ist tatsächlich eine attraktive Herausforderung. Leider sind die Bauherren bislang nicht auf uns zugekommen, um sich beraten zu lassen. Wir beobachten das Bauprojekt dennoch sozusagen interessiert aus der Ferne.
Wird dort eine umweltverträgliche Energieversorgung angestrebt?
Müller: Den Eindruck haben wir nicht. Wir fanden es ganz im Gegenteil befremdlich, dass bereits in der Bauausschreibung ökologische Gesichtspunkte offenbar keinerlei Rolle spielten. Daher befürchten wir derzeit eher, dass beim Kölner Stadionbau eine große Chance vertan wird. Es wird offenbar eine nicht sehr innovative Energieversorgung geplant: mit dem Bau eines Kesselkraftwerks für die erforderliche Heizkraft und teurem Strom aus der Steckdose. Das wäre weder umweltgerecht, noch auf lange Sicht preisgünstig.
Wie könnte eine innovative Lösung für ein Stadion von Heute aussehen?
Decker: Man könnte ein Stadion heute gewissermaßen selbst zum Kraftwerk machen. Die in Köln geplanten vier Dächer zwischen den Leuchttürmen eignen sich beispielsweise hervorragend zur Installierung eines photovoltaischen Systems. Mittels Energieerzeugung aus Sonnenlicht könnte ein Großteil des erforderlichen Stroms selbst produziert werden. Denkbar in einem energetisch modernen Stadion wäre auch ein Blockheizkraftwerk, das Strom produziert und bei dem die erforderliche Heizwärme sozusagen als Abfallprodukt anfällt. In Köln würde es sich meiner Ansicht nach sogar lohnen, ein ganzheitliches Energiekonzept für das Stadion und sein Umfeld zu entwickeln. Es könnte geprüft werden, ob ein Blockheizkraftwerk lohnt, dass das Müngersdorfer Stadion, das angrenzende Schwimmbad, die Sporthochschule, sowie das ebenfalls geplante neue Leichtathletikstadion versorgen würde.
Kritiker sagen, Energie aus Sonnenlicht sei viel zu teuer...
Decker: Photovoltaik ist heutzutage schlicht und einfach Stand der Technik und für den Gebäudeeigentümer langfristig günstiger. In Köln könnten die photovoltaischen Elemente sogar als Dachmaterial verwendet werden, die Baukosten für das Dach wären dadurch zunächst nur 20 bis 30 Prozent höher. Aber schon in einem überschaubaren Zeitraum hätte man diese Mehrinvestition durch gesparte Stromkosten wieder herein geholt. Nicht zu vergessen sind die Bundes- und Landesmittel, die es als Unterstützung für derartige Projekte gibt. Jede produzierte und eingespeiste Kilowattstunde wird 20 Jahre lang mit 99 Pfennig vergütet. Und auch ein sorgfältig ausgelegtes Blockheizkraftwerk ist auf Dauer wirtschaftlich.
Gibt es in NRW bereits Stadien mit beispielhafter Energieversorgung?
Müller: In der Arena Auf Schalke wurde ein Blockheizkraftwerk installiert. Daneben wurde ein sogenanntes Sonnensegel installiert, weil ein photovoltaisches Komplettsystem auf Grund der komplizierten Dachkonstruktion nicht möglich war. In Bielefeld wurde auf der Alm bereits vor drei Jahren eine umweltgerechte Energieversorgung installiert. Aber da wir die ganze Zeit von den Kosten sprechen: Die Möglichkeit des Contracting wurde von den Kölnern offenbar noch gar nicht in Betracht gezogen.
Contracting? Das müssen Sie erklären...
Müller: Das ist bei der Energieversorgung heutzutage absolut gängig: Wärme oder Beleuchtung wird von den Abnehmern nicht selbst produziert, obwohl die Anlage im eigenen Haus steht. Die Bereitstellung übernimmt vielmehr ein Contractor, ein Unternehmen, das darauf spezialisiert ist und das sich die Kostenvorteile, die dadurch möglich werden, mit dem Contracting-Nehmer teilt.
Das würde im Fall Köln sogar die Baukosten senken, weil die Kosten für die Energieanlage vom Contractor übernommen würden. Bestünde für Köln auch jetzt noch die Möglichkeit umzusteigen?
Decker: Theoretisch ja. Aber es ist für die Entwicklung eines optimalen Systems natürlich von Vorteil, so früh wie möglich mit den Planungen zu beginnen. Und früh ist es in Köln schon lange nicht mehr.