Vor allem poetisch

Nicht zuletzt dank der in Köln erscheinenden CD-Reihe »Le Pop« ist aktuelle Musik aus Frankreich auch östlich des Rheins ein Thema. Mit Dominque A. kommt im März einer der avanciertesten Protagonisten des neuen französischen Pops nach Köln.

 

Nachdem er 1992 sein erstes Album »La Fossette« auf dem französischen Independent-Label Lithium veröffentlichte, avancierte Dominique A. schnell zum Vorreiter einer neuen Szene. Sein Stil war prägend: die zu Hause auf einem 4-Spur-Rekorder aufgenommenen Songs, die Pop auf ein einfaches Gerüst aus billigen Drum-Computer-Beats, Keyboard und Stimme reduzierten, setzten Energien frei für eine französische Szene, die sich in der Folge gleichzeitig von den Vorbildern des klassischen Chansons und der anglophonen Popmusik emanzipierte. Seit ein paar Jahren erfreut sich die sogenannte Nouvelle Scene de Chanson auch in Deutschland wachsender Beliebtheit. Der anstehende Auftritt Dominique As auf der lit.Cologne ist dafür ein guter Indikator. Dominique A., 35 Jahre als, geboren in Nantes und seit einiger Zeit in Brüssel ansässig, ist immer noch einer der musikalisch interessantesten Popprotagonisten Frankreichs. In Deutschland wurde bis dato nur die Compilation »A l’Arrivé« (Labels/Virgin) veröffentlicht. Ob sein kommendes, stilistisch vielfältiges und orchestral arrangiertes Album »Tout sera comme avant« hier erscheinen wird, ist noch unklar.

StadtRevue: In Deutschland wird das Phänomen der neuen französischen Musik vor allem mit Blickrichtung auf die Nouvelle Scène de Chanson wahrgenommen. Haben Sie das Gefühl, dass eine derartige Szene existiert, und fühlen Sie sich irgendwo zugehörig?

Dominque A.: Ich glaube, es gibt mehrere Szenen. In Frankreich sind sie in den 90er Jahren regelrecht explodiert. Plötzlich gab es sehr viele Projekte in sehr verschiedenen Stilrichtungen. Ich kenne die Kompilation »Le Pop«, die ja in Deutschland für Furore gesorgt hat, und ich habe den Leuten, die sie gemacht haben, gesagt, dass ich sie für sehr pop-orientiert halte. Die Frage, ob sie repräsentativ ist für das, was in Frankreich passiert, lässt sich so leicht nicht beantworten. In gewisser Hinsicht ist sie es, insofern sie die Referenzen zu den französischen Popentwürfen der 60er Jahre herstellt. Es gibt aber auch einen anderen Aspekt der französischen Musik: Bands wie Programme oder Diabologum, die experimenteller und, wie ich finde, sehr viel interessanter sind.

Im Zusammenhang mit Ihrem von TalkTalk und Free Jazz beeinflussten Album »Remué« haben Sie verlautbart, dass die Idee von Ambiance bzw. Atmosphäre gegenüber der Idee von Melodie immer wichtiger wird. Ihre letzte Platte »Auguri« scheint mir eher eine Mischung aus diesen Ideen darzustellen. Sie ist atmosphärisch dicht, aber dennoch auch sehr melodisch.

Es ist wahr, dass die Melodie mir inzwischen kaum noch Sorgen bereitet, es fällt mir einfach recht leicht Melodien zu finden. Atmosphäre zu schaffen interessiert mich aber am meisten. Für »Auguri« bin ich zum Gesang zurückgekehrt, manches auf »Remué« war ja fast gesprochen. Gewissermaßen bin ich also auch zum Chanson zurückgekehrt. Ich wollte etwas machen, das körperlicher ist, mehr den Bezug zur eigenen Stimme herstellt, zum Gesang, der ja auch beim Chanson essentiell ist.

Entstehen Ihre Texte vor dem Songwriting oder umgekehrt? Kann man sagen, dass Sie Gedichte schreiben und diese dann vertonen?

Nein, Gedichte schreibe ich nie, es sind wirklich Texte für die Songs. Allerdings fällt es mir leichter, ausgehend von einer Textidee die Musik zu entwickeln als umgekehrt. Die Musik limitiert die textlichen Möglichkeiten sehr stark, denn es geht mir bei in einem Chanson auch um den musikalischen Aspekt der Sprache. Wenn also die Musik schon ohne die Sprache feststeht und die Sprache zu dieser Musik selbst wiederum musikalischen Ansprüchen genügen muss, wird es sehr kompliziert. Das sind dann schon fast mathematische Anforderungen, und ich bin kein Informatiker (lacht).

Wenn Sie Texte bzw. Lieder für andere Interpreten wie beispielsweise für Francoiz Breut schreiben, was ändert sich dann an Ihrem Vorgehen? Sie schreiben ja in dem Bewusstsein, die Stücke nicht selbst zu singen.

Um für jemanden anderen zu schreiben, ist es nötig, dass ich die Person gut kenne. Fremde Interpreten fragen mich auch kaum nach Stücken. Ich glaube, weil sie merken, dass der Text nah an dem Körper und der Person desjenigen sein muss, der sie singt. Das ist etwas sehr physisches. Und wenn ich für Francoiz schreibe, bedeutet das, dass ich mich – entschuldige bitte den Ausdruck (lacht) – in ihren Körper begebe. Ich versuche z. B., mir das Timbre ihrer Stimme, das mir sehr gefällt, vorzustellen. Manche Leute haben von ihr vielleicht eine nettere, poppigere Platte erwartet, aber da ich wusste, dass sie selbst eher Tindersticks und Leonard Cohen hört, habe ich dann auch dementsprechend geschrieben. Aus persönlichen Gründen fällt es mir inzwischen viel schwerer für Francoiz zu schreiben. Die Stücke, die ich heute für sie schreibe, ähneln sehr denen, die ich vor fünf Jahren schrieb, was daran liegt, dass meine Vision von ihr limitiert ist und sich nicht weiterentwickeln konnte. Mittlerweile schreiben andere Stücke für sie, die ganz anders sind und einen anderen Teil ihrer Persönlichkeit adressieren.

Ihre Texte sind eher poetisch oder narrativ, den Bereich des Politischen berühren sie kaum. Interessiert Sie das nicht oder möchten Sie einfach die Mischung von musikalischen mit
politischen Inhalten vermeiden?


Ich will einfach nicht irgendwas Banales erzählen, das rutscht oft ins Kindische ab. Ein Beispiel für einen politischen Song gibt es dennoch mit »Everyone kisses a stranger« auf der ersten Platte von Francoiz Breut. Der entstand im Zusammenhang mit der Bewegung der »Sans-Papiers« in Paris, und handelt von der Frage: Was ist das eigentlich, ein Fremder? Es ist von »Baisers sans papiers« die Rede und von Wortspielen mit »Langue« (steht im Französischen sowohl für »Sprache« als auch für »Zunge«, Anm. GK). Der Satz »La langue désole quand la bouche est fermé« (wenn der Mund geschlossen ist, verkümmert die Zunge/die Sprache) beschreibt die Notwendigkeit der Kommunikation auch in anderen Sprachen, die wiederum die eigene Sprache bereichern. Das ist ein politischer Song, der gleichzeitig aber einen poetischen Anspruch hat.

Oft spielen Sie live solo, samplen und loopen dabei das, was Sie selbst gerade spielen. Was ist der Vorteil dieses Ansatzes gegenüber der Arbeit mit einer Band?

Die erste Platte habe ich ja auch alleine mit Vorprogrammierungen umgesetzt, und oft sagt man mir, dass es stärker klingt, wenn ich alleine spiele. Ich will mich aber nicht nur einfach mit der Gitarre auf die Bühne stellen und meine Lieder singen. Ein Freund riet mir zu dieser Loop-Technik. Auch ist es so, dass sich die Dinge während des Konzerts leichter entwickeln, wenn man alleine spielt. Mit Band ist jeder immer damit beschäftigt, die Stücke irgendwie gut zusammen zu spielen, so dass man nicht mehr spontan auf Einfälle reagieren kann. Also fühlte ich mich, selbst wenn ich mit wirklich exzellenten Musikern gespielt habe, immer eingeschränkt. Allerdings werde ich nicht immer alleine spielen können, auf die Dauer ist man da auf eine andere Art limitiert. Die stärksten Gefühle hatte ich aber eigentlich immer bei meinen Soloauftritten.

Am 17.3. um 21 Uhr spielt Dominique A. im Gloria. Im Rahmenprogramm legen die »Le Pop«-DJs Rolf Witteler und Oliver Fröschke auf.

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