Wenn McKinsey kommt...

Kathrin Röggla schreibt in ihren Theaterstücken über Leben in Zeiten des Consutling-Booms, der Medienhypes und des Terrors.

Alexander Haas hat die in Berlin lebende Autorin nach den Hintergünden ihres Oberflächenmixes gefragt

 

Die Tradition ironischen, sprachkritischen Schreibens à la Werner Schwab, Elfriede Jelinek aber auch Arno Schmidt dürfte sie zum Teil ihrer österreichischen Herkunft verdanken: Kathrin Röggla wurde 1971 in Salzburg geboren, studierte dort Germanistik und Publizistik und fing in der Off-Szene mit Theater und Perfomances an. 1992 wanderte sie nach Berlin ab und debütierte 1995 mit den Prosaminiaturen »Niemand lacht rückwarts«. 2000 erschien der Roman »Irres Wetter«. Vor zwei Jahren begann Röggla mit »fake reports«, einem Stück über den 11. September 2001, wieder für das Theater zu schreiben. Zuletzt wurde die Autorin mit dem Sacher-Masoch- und dem Italo-Svevo-Preis ausgezeichnet. In NRW kommen demnächst zwei neue Stücke von ihr zur Uraufführung: »sie haben so viel liebe gegeben, herr kinski!« am 13.3. beim Theaterzwang-Festival in Dortmund und im April »wir schlafen nicht« am Düsseldorfer Schauspielhaus.

StadtRevue: In Ihrem neuen Stück »Wir schlafen nicht« reden sechs Figuren – Associates, Managerinnen, Online-Redakteurinnen, IT-Supporter – ohne Unterlass über Ihre Jobs. Deutlich wird vor allem, wie deformiert und abhängig sie von Ihrer Arbeit sind. Frisst uns das Effizienzdenken auf?

Kathrin Röggla: Klar. Die Ökonomisierung aller Bereiche schreitet voran. Politische Fragen sind heute anscheinend rein ökonomische Fragen. Das kann man auch an Begriffen wie der »Ich-AG« sehen. Der Manager ist die Leitfigur unserer Gesellschaft, seine Werte und Normen werden übernommen, internalisiert.

Viele jüngere Theaterautoren – René Pollesch, Falk Richter, Roland Schimmelpfennig – schreiben Stücke über den so genannten Turbokapitalismus. Was war für Sie der Grund, was interessiert Sie an Jobaddicts?

Arbeit und Leistung haben die größte Wertigkeit in unserer Gesellschaft, sind die Identifikationsmöglichkeit Nummer eins. Diese Menschen üben eine ziemliche Faszination aus, sie sind sozusagen unsere peer group. Selbst wenn man wollte, könnte man sich nicht davon frei machen, man lebt ja inmitten dieser arbeitsbesessenen Gesellschaft. Ich stehe da nicht drüber.

Sind Workaholics, Jobhunter etc. nicht eher Phänomene der 80er und frühen 90er Jahre? Irgendwann taucht in Ihrem Stück ja auch der Bezug zu Bret Easton Ellis’ »American Psycho« auf.

Wie? Keine Workaholics mehr, alle leben im gemütlichen Acht-Stunden-Tag? Nein, machen wir uns nichts vor – wir sind umgeben von Workaholics! Viele Menschen leben nur noch durch und für ihre Arbeit, das kann auch Suchtstruktur bekommen. Meine Figuren sind allerdings keine Investmentbanker oder Broker wie bei Bret Easton Ellis, sondern im inzwischen stärker thematisierten Unternehmensberatungsbereich tätig.

Die Leute in Ihren Stücken reden fast durchgehend in indirekter Rede und von sich selbst in der dritten Person. Die Praktikantin in »wir schlafen nicht« sagt zum Beispiel: »ihr sei noch immer keine firmenvergangenheit zur hand, ihr sei noch immer kein medienrückgrat gewachsen, obwohl sie alles versucht habe.« Was findet hier statt?

Natürlich schaffe ich dadurch Distanz. Der Blick von außen kommt so mit rein. Dadurch schreibt sich auch ein mediales Verhältnis in das Sprechen ein. Unsere realen Rhetoriken sind ja auch medial vermittelt.

Wie haben sie für »wir schlafen nicht« recherchiert?

Ich habe etwa 30 Gespräche mit Consultants, Coaches, Key-Account-Managern, Programmierern geführt. Mit journalistischen Mitteln zu arbeiten oder mit teilnehmenden oder interventionistischen Mitteln, die man vielleicht eher in der Kunstszene kennt, interessiert mich und betrachte ich als Teil meiner Arbeit. Es geht mir dabei auch um eine Konfrontation mit bestimmten Teilen der Wirklichkeit. Mir ist es nicht wichtig, eine vermeintlich subjektive Sprache zu entwickeln, aus meinem Inneren da was herauszuholen, sondern ich verstehe Sprache immer in einem kommunikativen Rahmen.

Sehen Sie eine Gefahr, in der Darstellung bestimmter zeitgenössischer Szenen, Sprechweisen und sozialer Codes im bloßen Samplen der Oberflächen und damit im Klischee stecken zu bleiben?

Ich sample nicht einfach scheinbar objektiv irgendetwas zusammen, sondern mache das durchaus mit einer Haltung, aus einem gewissen Blickwinkel heraus. Kritik ist ein Prozess. Also habe ich nicht zu Beginn eine Banalposition entwickelt, eine Meinung, in der alles von vorneherein klar ist, sondern ich sehe mir die Dinge an und reagiere.

In Ihrem ersten Theaterstück »fake reports« haben Sie sich mit der manchmal grotesken Art und Weise beschäftigt, in denen in den Medien über den 11. September 2001 gesprochen wurde. Sie waren zur Zeit des WTC-Anschlags als Stipendiatin in New York. Was setzen Sie den »fake reports« der Medien in Ihrer Arbeit entgegen?

Ich denke doch, die Konfrontation. Das Sichreiben der unterschiedlichsten Oberflächen aneinander. Im Falle von »fake reports« hieß das, zu zeigen, wie unterschiedliche Rhetoriken zusammenwirken und eine Bewusstseinslage erzeugen. Wie eine Politik der Angst funktionieren kann, auf ganz vielen Ebenen. Natürlich besitzt dieses Stück auch eine Ironie, verstanden in einem emphatischen Sinn, also als Gespanntheit und Affiziertheit, als dynamisches Prinzip, in Abgrenzung zum Zynismus.

Sie waren damals in New York etwa 700 Meter von den einstürzenden twin towers entfernt. Ab dem 12. September haben Sie für deutsche Zeitungen Texte darüber geschrieben, später entstand daraus das Buch »really ground zero«. Diese Texte beginnen so: »jetzt also hab ich ein leben. ein wirkliches.« Teile der Kritik sahen in solchen Sätzen »Selbstvergewisserungsliteratur«.

Selbstvergewisserungsliteratur? Das kann ich eigentlich nur abwertend verstehen. Was auch immer damit gemeint war, es trifft auf »really ground zero« nicht zu. So ist der erste Satz deutlich als ironisch markiert, durch die Wiederholungsstruktur und den Kontext. Warum diese Ironie von manchen nicht erkannt wurde, liegt vielleicht an dem Ironieverbot, das sofort auf dem Thema lag. Man durfte sich sozusagen nicht distanzieren. Dabei war die extreme Theatralisierung in den Medien von der ersten Stunde an vorhanden. Darauf reagiert der Satz.

Sie verfolgen unser Leben in der Wirtschaft, angesichts von Terror, in der Geschwindigkeit, den Medien oder der Kunst, und alles erscheint als ein einziges großes Sprachspiel. Worin, glauben Sie, liegt der Erkenntnisgewinn solcher Sprachkritik?

Nur über Sprache können wir in unserer Gesellschaft Dinge verhandeln, aushandeln. Sie ist also sozusagen unser Kampfplatz. Sich anzusehen, wie das funktioniert, ist höchst interessant. Mit welchen Mitteln wir das tun, welche Inszenierungsformen, Rhetoriken uns zur Verfügung stehen, nicht zuletzt um Interessen zu verdecken.

Im März kommt beim Off-Festival Theaterzwang ein zweites Stück von Ihnen in NRW zur Uraufführung, darin geht es um Klaus Kinski. Auch der hat ja viel geredet...

Der Kölner Theatermacher Leopold von Verschuer hatte die Idee zu dem Projekt. Ich kenne und schätze ihn und seine Arbeit, wir haben viel über das Inszenatorische, über Medientransfers und Übersetzungsverhältnisse gesprochen. Also schien es für mich spannend, mich auf ein Projekt einzulassen, in dem es um Fragen des öffentlichen Äußerns, also der öffentlichen Kommunikation bzw. deren permanenten Scheiterns geht. Kernstück des Abends wird die originalgetreue Reproduktion einer fast schon legendären Talkshow mit Kinski von 1977 sein. Zudem wird das Verhältnis von Schauspieler und Publikum thematisiert. Insofern wird das Ganze auch eine Selbstreflexion des Theaters.

Interview per E-Mail

Info/Karten: www.theaterzwang.de., Tel.: 0231/ 5027710, www.duesseldorfer-schauspielhaus.de

»...herr kinski« ab 31.3. auch am Forum Freies
Theater Düsseldorf, Tel. 02 11/876 78 70.

Die Romanversion von »wir schlafen nicht« stellt Kathrin Röggla am 29.3. um 20 Uhr im Kölner Literaturhaus vor.