Chancen der Moderne-Feindlichkeit
Was lange gärt wird endlich Wut. Dieser Motivkomplex scheint die Ursache für die Austritte von drei der wichtigsten freien Kölner Theatergruppen aus der Theaterkonferenz (TK). In einer konzertierten Aktion verkündeten Rosi Ulrichs Theater-51grad.com, Angie Hiesl Produktion und Inka Neuberts Inteata unlängst den Abbruch ihrer Beziehungen zu der organisierten Vertretung vieler freier Kölner Theater unter Vorsitz des Regisseurs Joe Knipp. Knipp hatte sich mit einem Gastbeitrag in der Kölner Regionalausgabe der taz (18.2.) anlässlich der Bewerbung Kölns zur Kulturhauptstadt 2010 als »Ästhetik-Papst« hervorgetan. So jedenfalls quittierte das Theater-51grad den Artikel, in dem Knipp die Beteiligung der freien Szene an der Bewerbung fordert – allerdings auf der Basis eines konservativen Theaterverständnisses. Der Kölner Stadt-Anzeiger kam als Sprachrohr für Knipp nicht mehr in Frage. Den hatte der Vorsitzende zuletzt in einem Offenen Brief (siehe StadtRevue 2/04) scharf für seine mangelhafte Theaterberichterstattung kritisiert.
Der Tenor der Erklärungen der jetzt Ausgetretenen lautet: Man möchte sich nicht länger mit einer Vereinigung identifizieren, deren Vorsitzender rückwärtsgewandte künstlerische Positionen beziehe. Aus anderen Gründen hatten bereits 2002 das Bauturm-Theater, die Comedia und das Theater der Keller die TK verlassen, seit geraumer Zeit war auch das Klima zwischen TK und Teilen der Verbliebenen gereizt. Nicht zuletzt gab es unterschiedliche Auffassungen über die städtischen Prinzipien der Theaterförderung; Gruppen wie die jetzt Ausgetretenen forderten statt »Vielfalt« eine stärkere Orientierung hin auf Qualität. Der Vertretungsanspruch der TK im Blick auf die Kölner Theater bröckelt also. Fazit der Performerin Angie Hiesl: »Als Gruppe, die im performativen Bereich experimentell, interdisziplinär und international arbeitet, ist es uns nicht möglich, die kleingeistige und Moderne-feindliche Auffassung des Leiters der Theaterkonferenz ... weiter zu unterstützen.« Hiesl gehört übrigens zu den so genannten elf Botschafterinnen, die die offizielle Kulturhauptstadt-Bewerbung kritisch begleiten.
In einer Stellungnahme verteidigte sich Joe Knipp. In seinem taz-Beitrag zur Kulturhauptstadt wende er sich ästhetisch »gerade gegen den Dogmatismus des Zeitgeistes«. Zudem habe das Engagement der TK in der Politik zu einer Erhöhung der Fördermittel geführt und zu der Erkenntnis, dass »Vielfalt als Profil der Stadt« entscheidend sei.
Wie die drei früher Ausgetretenen sind auch die aktuellen Dissidenten Mitglieder der Gegen-Vereinigung Plattform. Angesichts der aktuellen Kulturdebatten wäre es für sie an der Zeit, mit eigenen, anderen kulturpolitischen Vorstellungen nach außen zu treten. Angeblich kursieren in der Szene schon Ideen zur Halle Kalk, die aufgrund der Sparmaßnahmen der Stadt in Zukunft nur noch sporadisch von Oper und Schauspiel bespielt wird. Auch Intendant Marc Günther forderte im Blick auf die Freie Szene ein »Kölner Modell« und zog Vergleiche mit den renommierten Hamburger und Züricher Spielstätten Kampnagel und Gessnerallee: In diesem Sinne müsse man die Halle Kalk »nicht schließen, sondern halten«. Wahre Worte.