Feuer mit Feuer bekämpfen
Neue Bands, neue Orte, neue Musik: Es tut sich was in der Kölner Rock- und Indie-Szene. Nachdem die letzten zehn Jahre die Musikstadt Köln fast ausschließlich mit elektronischer Musik assoziiert wurde, gibt es seit einiger Zeit starke Anzeichen, dass man auch
hiesige Gitarrenbands im Blick haben muss. Grund genug, den sich immer besser vernetzenden Szenen eine Serie zu widmen: Kölsche Tön. In unregelmäßigen (aber kurzen) Abständen wird Oliver Minck über frischen Pop von Kalk bis Zollstock berichten. Tonträger aller Art und Hinweise auf neue Popsterne am Kölner Firmament nehmen wir gerne entgegen: musik@stadtrevue.de, c/o Kölsche Tön.
Neues aus Köln
Über Szenegeflüster und nerdige Internetforen wurde es im letzten Herbst an einen herangetragen: Es gebe da eine neue Kölner Band. Die habe zwar noch nie irgendwo live gespielt, sei aber mit Sicherheit der heißeste Scheiß der Saison, weswegen sie mal eben so einen Deal mit L’Age D’Or an Land gezogen habe – dem Hamburger Label, auf dem wahrscheinlich 90 Prozent aller deutschen Indiebands am liebsten veröffentlichen würden. Der Name der Combo: Von Spar – nach einer Straße in Köln-Mülheim, wo sich der Proberaum der Band befindet.
Die Veröffentlichung einer Maxi und die Teilnahme an der L’Age D’Or-Jubiläumstour quer durch die Republik machten kurze Zeit später klar: Von Spar sind kein feuchter Traum, die gibt’s wirklich! Eigentlich handelt es sich bei den Mitgliedern sogar um alte
Bekannte und unermüdliche Protagonisten der rheinischen Indierockszene. Schlagzeuger Philipp Janzen kennt man nämlich auch als eine Hälfte von Urlaub in Polen, einem Duo, das in den letzten Jahren vor allem durch spektakuläre Live-Shows auf sich aufmerksam gemacht hat. Philipp und sein Partner Georg Brenner bedienen zu zweit einen ganzen Instrumentenpark und inszenieren eine Wall of Sound, die Pink Floyd und Underworld versöhnt mit dem spröden und kompromisslosen Gitarrenrock, wie er von den Bands des Troisdorfer Blue Noise-Labels gepflegt wird.
Auch Von Spar-Sänger Thomas Mahmoud tanzt auf mehreren Partys. Mit seiner Oliver Twist Band bringt er einen groovig-nervösen Indierock à la The Rapture auf die Bühne. Und das schon seit Jahren.
Alle drei Bands, bei denen Thomas und Philipp mitmischen, machen laute, sperrige, energiegeladene Musik. »Ich bin an sich
ein quirliger Typ«, lautet die Selbsteinschätzung von Thomas. »Die Zeit gerade ist eben auch extrem anstrengend. Das Prinzip ist, mit dem Sound zu nerven, nicht gefällig zu sein, um es anderen Leuten Recht zu machen.« Philipp kann da auch nicht anders. Er hat es probiert mit der Leisetreterei und es hat nicht funktioniert: »Ein Element muss immer nach vorne schieben.« Andere Musiker schaffen in hektischen Zeiten ein Refugium der Besinnlichkeit – Thomas und Philipp setzen da lieber noch mal eins oben drauf. »Fighting fire with fire«, könnte man das nennen, um hier einmal mit den Talking Heads zu sprechen.
Cologne-Rock-City?
Während Urlaub in Polen in eigenen Sphären spielen, gibt es zwischen Oliver Twist und Von Spar schon deutlichere Parallelen. Ist ja auch beides Mal derselbe Sänger dabei. Singen ist da eh das falsche Wort. Thomas haut Parolen raus, mit hysterisch aufgedrehter, spitzer Stimme. Das kann tatsächlich nerven, stachelt aber auch ungemein an. Bei Oliver Twist singt Thomas auf Englisch, bei Von Spar größtenteils auf Deutsch. »Mit der englischen Sprache kann man besser spielen, während man sich auf Deutsch besser ausdrücken kann. Wir haben uns bei Von Spar auf diesen End-70er-New-Wave-Sound konzentriert, wollten das dann aber nicht genauso machen wie Gang of Four und haben eben auf Deutsch gesungen. Deshalb kamen dann auch sofort die Vergleiche mit Fehlfarben. Das Deutsche bei uns ist aber kein Statement für sich, wir wollen uns in keinem Deutschtum suhlen und suchen auch nicht krampfhaft nach einer Deutschen Schule.«
Wie ist das überhaupt, mehrere Bands gleichzeitig zu haben? Muss man da jedes Mal in eine andere Rolle schlüpfen? »Man ist eine Person«, sagt Philipp. »Die eigene Vorstellung von Musik ist nur vielschichtiger, als dass sich alles in einer Band ausdrücken ließe.« Für Thomas bedeutet Oliver Twist eher ein Erstellen wilder Collagen, während bei Von Spar das Prinzip Pop im Vordergrund steht: »Von Spar ist wesentlich konstruierter. Man hat sich vorher genau überlegt, welche Sounds und Klischees man adaptieren möchte.« Oliver Twist und Urlaub in Polen werden von dem Kölner Label Rakete veröffentlicht, Von Spar hingegen sind nun also richtig popstarmäßig auf L’Age D’Or.
Immerhin Lichtblicke
Obwohl die Stadt inzwischen auch wieder überregional erfolgreiche Acts jenseits der Minimal-Elektronik vorweisen kann (z.B. Angelika Express, Erdmöbel), gibt es hier kein Label, das die Szene bündelt und den Ruhm der Stadt im größeren Stile nach außen trägt. Den hiesigen etablierten Elektronik-Labels wirft Thomas zudem eine gewisse Engstirnigkeit vor: »Es gibt viel zu große Berührungsängste. Man feiert seit 10 Jahren Tobias Thomas und Michael Mayer ab und bleibt im eigenen Umfeld. In Hamburg z.B. kooperieren die einzelnen Szenen miteinander. Da singen etwa die Jungs von Fettes Brot auf der neuen Sterne-Platte mit.«
Es gibt aber auch Lichtblicke: »In Köln ist an guten Musikern viel zu holen, langsam entwickelt sich hier eine richtige Infrastruktur«, findet Thomas. Philipp und er haben sich schließlich auch bei einem gemeinsamen Konzert von Urlaub in Polen und Oliver Twist im Underground kennen gelernt. »Eine Rockszene war in Köln eigentlich schon immer da, die wurde eben nur medial außenvor gelassen.«
Aktuelle Veröffentlichungen
Von Spar: Die Maxi-CDs »Vielen Dank für ihr Verständnis (Vol. 1 und 2) « auf L’Age D’Or, das Album kommt im August.
Urlaub in Polen: das Album »White Spot« ist soeben auf Rakete/Rough Trade erschienen.
The Oliver Twist Band: das Album »New Tricks and Traps« erscheint auf Rakete.