»Ich finde Windkraftwerke ästhetisch«
StadtRevue:In Köln begeistert sich außer den Grünen niemand für den Bau der weltweit größten Windkraftanlage E-112. Im Stadtrat löste die Anfrage des Investors geradezu Entsetzen aus. Wie bewerten Sie die aktuelle Aufregung um das 196-Meter-Windrad?
Manfred Fischedick: Das ist eine Diskussion, die nicht nur in Köln stattfindet. Sie ist typisch für die Diskussion, die wir deutschlandweit an fast allen potenziellen Standorten für Windkraftwerke führen. Die emotional aufgeheizte Argumentation gegen die Windenergie basiert dabei häufig auf Vorurteilen. Für viele Probleme aus den Anfangsjahren gibt es inzwischen Lösungen: etwa eine Abstandsregelung, um Anwohner vor störenden Windgeräuschen zu schützen. Auch den so genannten optischen Disko-Effekt durch die Bewegung der Rotorenblätter kann man heute verhindern, indem man ausrechnet, wann es zu einem Schattenwurf kommt. Zu diesen Zeiten steht das Rad dann still.
Welche Kritikpunkte lassen Sie denn gelten?
Was schwieriger ist und auch nicht wirklich objektiven Gesichtspunkten unterliegt, ist der Landschaftsschutz. Denn ein Windkraftwerk verändert natürlich die Landschaft. Die einen finden das schön oder haben sich an den Anblick gewöhnt. Andere stört es.
Und sie selbst finden Windkraftwerke schön?
Wenn die Anlagenparks nicht zu groß sind und man sich um eine vernünftige Einplanung in die Landschaft bemüht hat, finde ich die Anlagen durchaus ästhetisch. Aber ich habe natürlich im Hinterkopf, dass dort stattdessen auch Kohle- oder Kernkraftwerke stehen könnten. Deswegen empfinde ich solche Anlagen vielleicht auch schöner, als andere das tun.
Sind so große Windkraftanlagen die Zukunft für die Energieversorgung von dicht besiedelten Flächen wie dem Kölner Stadtgebiet?
Man muss sich von dem Gedanken verabschieden, dass die Anlagen, die neben der Stadt stehen, auch die direkte Energieversorgung der Stadt realisieren. Die Anlage, die in Köln angedacht ist, könnte rund 4000 Haushalte versorgen. Solche Großanlagen sollen später verstärkt auf dem Meer eingesetzt werden. Allerdings muss natürlich zuerst an Land getestet werden, ob sie zuverlässig und technisch robust genug sind.
Die Windenergie wird zwar eine wichtige Säule unserer zukünftigen Energieversorgung sein. Aber mit der klaren Tendenz, dass auf dem Land irgendwann eine Sättigung, eben aus Gründen des Landschaftsschutzes, erreicht sein wird.
Sie sind als Experte an der internationalen »renewables«-Konferenz in Bonn beteiligt, die sich mit der Zukunft der Erneuerbaren Energien und des Klimaschutzes weltweit beschäftigt. Scharf kritisiert wurde nach der ersten Konferenz in Johannesburg vor zwei Jahren, dass es zwar viele Beschlüsse gab, jedoch so gut wie keine Umsetzung folgte.
Die Kritik ist natürlich berechtigt. Wir haben in der Vergangenheit viele Konferenzen gesehen, die nur mit pauschalen Statements und Willenserklärungen endeten. Von dieser Konferenz erhoffe ich mir, dass es anders läuft. Es wurde schon im Vorfeld als Aufgabe formuliert, nicht
nur eine politische Willenserklärung, sondern ein Handlungsspektrum mit Folgeaktivitäten zu beschließen. Das ist ein wichtiges Erfolgskriterium. Sonst wäre diese Konferenz eine unter vielen, die zwar Informationsaustausch bewirkt, aber eben
nicht viel mehr.
Welche Wirkung kann »renewables« überhaupt haben?
Wenn man mit 1500 Leuten auf einer Konferenz rumspringt, hat man natürlich keinen direkten Einfluss auf Regierungschefs. Aber man demonstriert, hier ist eine sehr große Community, die dieses Thema weiterbringen will und Lösungen bieten kann. Man wird sich national und international vernetzen. Und es gibt auch Dinge, die man unabhängig von der Politik umsetzen kann.
Zur Person
Manfred Fischedick, Jahrgang 1964, lebt in Köln und ist Direktor der Forschungsgruppe »Zukünftige Energien« des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie.
Er studierte Verfahrenstechnik, promovierte im Fach Energietechnik. Unter anderem ist er Co-Autor der Bücher »Nach dem Ausstieg:
Zukunftskurs Erneuerbare Energien« sowie »Wind- und Solarstrom im Kraftwerksverbund – Möglichkeiten und Grenzen«.
Termine
1.- 4. Juni
»renewables« – Internationale Konferenz für Erneuerbare Energien.
An der eigentlichen Konferenz können nur die akkreditierten internationalen Fachleute teilnehmen. Infos unter www.renewables2004.de
Das öffentliche Rahmenprogramm zur Konferenz startete bereits im Mai. Organisiert von unterschiedlichen Organisationen und Institutionen finden Ausstellungen, Workshops und Infoveranstaltungen zum Thema Erneuerbare Energien statt. Termine unter www.cic-bonn.org/energie
8. Juni
»Rohstoffkrieg und Klimaopfer«, Diskussionsveranstaltung von
McPlanet.com, Köln,
Antoniterkirche, 19.30 Uhr
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