Teen-Drama

Bitte mit Kondom

Die freigeistigsten Tabubrecher entpuppen sich oft als Moralisten. Zum Beispiel Larry Clark: In den frühen 70er Jahren wurde er berühmt mit Fotografien von Teenagern, die Drogen spritzen, oder Sex haben, während sie sich eine Knarre in den Mund halten; Mitte der 90er Jahre drehte er seinen Debütfilm »Kids«, und erneut ließ er Jugendliche viele verbotene Dinge tun. Aber die Message von »Kids« war klar: Wenn ihr in Zeiten von AIDS durch die Gegend vögelt, dann bitte mit Kondom, das schützt euch und andere.
Das Drehbuch für »Kids« schrieb ein Teenager: Harmony Korine, mittlerweile selbst als Regisseur grenzgängerischer Werke wie »Gummo« zu Underground-Berühmtheit gelangt. Für Clarks vierten Kinofilm »Ken Park« haben sich die beiden erneut zusammengetan, ergänzt um den Kameramann Ed Lachman, der unter anderem »Dem Himmel so fern« satten Glanz verlieh. Gewalttätige, Drogen nehmende, fickende, suizidale Jugendliche, die das Kameraauge ohne Selbstzensur einfängt, stehen erneut im Zentrum. Und erneut lässt sich das Ende als Mahnung zu sicherem Sex verstehen – wenn auch in einem ganz anderen, altmodischeren Sinne als in »Kids«. Die Unterschiede zwischen beiden Filmen, sind jedoch größer, als es zunächst scheint. Während in »Kids« Erwachsene nahezu abwesend sind, werden sie in »Ken Park« zur treibenden Kraft von Konflikten, deren Ursprung in ihren mehr oder minder unterdrückten oder ausgelebten verbotenen sexuellen Bedürfnissen liegt. Die Übertretungen der Jugendlichen wirken (mit einer Ausnahme) dagegen geradezu unschuldig.
Diese Feier einer jugendlichen Unschuld, die alle Tabus gebrochen hat, erreicht am Ende von »Ken Park« ihren Höhepunkt in einer langen, in das warme Gelb eines Sonnenuntergangs getauchten Sexszene zwischen zwei Jungs und einem Mädchen, die jedoch nichts mit den fiesen Entjungferungsszenen aus »Kids« gemein hat. Stattdessen wird hier die Utopie einer von Erwachsenen befreiten Jugendwelt gefeiert, in der Sex als herrschaftsfreies, spielerisches Kommunikationsmittel fungiert. Dass wegen solcher Szenen – der Sex ist nicht gestellt – dem mittlerweile über 60-jährigen Clark der Vorwurf gemacht wird, er beute seine jugendlichen Protagonisten aus und nutze sie lediglich als Objekt seines eigenen Voyeurismus, ist nicht neu. Clark und der 56-jährige Lachman fordern sie allerdings in »Ken Park« durch die konsequente Darstellung der Erwachsenen als lüsterne Monster erstmals geradezu heraus. Dass bis zum Ende unklar bleibt, ob die Regisseure sich selbst als Teil des Problems begreifen oder der Lösung, ist dabei verstörender als alle Tabubrechereien auf der Leinwand.

Ken Park (dto) USA 02, R: Larry Clark, Edward Lachman, D: James Ransone, Tiffany Limos, Stephen Jasso, 96 Min. Start: 22.7.