Genug ist nicht genug
Es war selten leichter, sich in Köln heimisch zu fühlen als in den letzten Wochen. Innerhalb weniger Tage haben sich dreimal viele Tausend Kölner zusammengefunden, die mit Körpereinsatz laut und deutlich machen, was sie von anti-muslimischem Rassismus und islamistischem Terrorismus halten: nichts.
Was für ein Unterschied zur Hogesa-Demo Ende Oktober, als rund 1000 Anti-Faschisten ohnmächtig zusahen, wie Nazi-Hools unter den Augen einer überforderten Polizei das Kunibertsviertel übernahmen. Es war ermutigend zu sehen, wie sich neben den stets engagierten anti-rassistischen Gruppen auch das Kölner Bürgertum an den Protesten beteiligte. Dompropst Norbert Feldhoff ließ trotz der Androhung von Gewalt die Beleuchtung des Doms abschalten und erhielt so weltweite Schlagzeilen. Der Schriftsteller Navid Kermani hat eine kluge und kämpferische Rede für das pluralistische Miteinander gehalten. Wir haben nicht viele öffentliche Intellektuelle in Deutschland, die diesen Titel verdienen. Umso schöner, wenn einer davon auch noch Kölner ist.
Allein eine Tatsache trübt das schöne Gefühl — es hat alles nichts genutzt. Die Islamhasser von Kögida konnten sich zweimal versammeln und beide Male war ihre Versammlung nüchtern betrachtet leider ein Erfolg. In der Vergangenheit bekamen Islamhasser und Nazis in Köln selten einen Fuß auf den Boden. Pro Köln musste im Sommer 2011 sogar auf besoffene Skinheads aus Belgien zurückgreifen, um ihren Marsch über den Rhein auf eine dreistellige Teilnehmerzahl zu bringen. Heute ist es der Gruppe problemlos möglich, innerhalb weniger Tage in der Nazi- und Hooliganszene an Rhein und Ruhr so zu mobilisieren, dass ihre Auf-märsche nicht mehr Gelächter, sondern Angst hervorrufen. Der Hooliganbesuch bei der Gedenkveranstaltung an die NSU-Bombe in der Probsteigasse zeigt die Gewaltbereitschaft dieser Allianz.
»Du bes Kölle, du bes super tolerant« wird immer dann angestimmt, wenn wir Kölner ein Zeichen gegen Rassismus setzen wollen. Aber damit belügen wir uns selbst. Der Hass auf Muslime kommt auch aus unserem Veedel. Fünf Prozent der Kölner haben bei der letzten Kommunalwahl ihre Stimme einer der Parteien gegeben, die mit Ängsten vor dem Islam und einem angeblichen Asylmissbrauch auf Stimmenfang gehen. Hinzu kommen diejenigen, bei denen anti-muslimischer Rassismus auf Nichtwählertum oder eine andere Parteipräferenz trifft. Das ist zwar nicht die »schweigende Mehrheit«, zu der sie Pro Köln und die AfD gerne stilisieren, aber sie werden mehr, das zeigen beispielsweise die Studien von Wilhelm Heitmeyer. Nur helfen dagegen leider keine Großdemonstrationen. »Wir müssen uns wehren«, hat Navid Kermani in seiner Rede gefordert. So langsam sollten wir uns mal Gedanken machen, wie wir das am besten tun.