Vom Zentrum aus nur schemenhaft erkennbar: Kölnberg in Meschenich | Foto: Laurentia Genske/Robin Humboldt

24 Stunden High Noon

Zwei Filmstudenten haben eine erstaunliche Dokumentation über die Hochhaussiedlung am Kölnberg gedreht - »Am Kölnberg« läuft am 5. Februar um 20 Uhr in der »Grotte« auf dem Gelände des Schauspiel im Depot. Eintritt frei. Achtung: Begrenzte Platzkapazität!

 

»Wenn du nix in Köln bekommst, weil du zu viel Scheiße gebaut hast, hier bekommst du die Wohnung.« Das sagt Sabine in der Dokumentation »Am Kölnberg« über die gleichnamige Wohnsiedlung, in der sie lebt. Wenn es um den Kölnberg geht, lassen viele gern die Statistiken sprechen. 4100 Bewohner aus über 60 Nationen, 61,8 Prozent Ausländeranteil, viel Hartz IV, wenig Wahlbeteiligung. Ein Bus fährt nur wenige Male am Tag in die Innenstadt.

 

Man kennt diese Zahlen in Köln, abgesehen davon interessiert man sich im Rest der Stadt nicht weiter für die Menschen, die in dieser Siedlung in Meschenich leben. Sie wurde 1974 als deutschlandweit erstes Bauherrenmodell im freifinanzierten Wohnungsbau erbaut und richtete sich eigentlich an Besserverdienende — ein Plan, der so nie aufgegangen ist. Viele Wohnungen standen leer, in die schließlich sozial schwache Mieter zogen. Diese Bewohner geben sich verschlossen, weil sie Angst haben, in der nächsten RTL-II-Reportage als der Asoziale aus dem Ghetto vorgeführt zu werden. Das war nicht anders, als Laurentia Genske und Robin Humboldt mit ihren Kameras nach Meschenich kamen, um eine Dokumentation über Prostituierte zu drehen. 

 

Die beiden Filmstudenten merkten bald, dass sie die Sache anders angehen mussten. Sie fingen an, ehrenamtlich bei der Lebensmitteltafel und einem Drogentreff zu arbeiten. Wochenlang redeten sie mit den Menschen, ohne eine Kamera herauszuholen. Robin Humboldt mietete sich sogar für drei Monate eine Wohnung am Kölnberg. Mit der Zeit luden manche Bewohner sie in ihre Wohnungen ein, manchmal machten sie auch einen Termin mit jemandem aus, eingehalten wurde er selten. »Die meiste Zeit haben wir damit verbracht, zu warten. Man muss sich den Leuten und ihrem Rhythmus anpassen«, sagt Robin Humboldt. 

 

Zum Beispiel dem von Sabine. Sie ist drogensüchtig und steht mitten im Wohngebiet, wenn sie auf ihre Freier wartet. Wenn sie nicht arbeitet, schläft sie oft tagelang oder hockt im Treppenhaus und schreibt Gedichte. Als »Junkiehure« stehe sie ganz unten auf der sozialen Skala, sagt sie einmal, doch der Film vermittelt ein anderes Bild: Er zeigt eine ungeheuer kluge und humorvolle Frau, die sich auch nach dreißig Jahren Suchtgeschichte nicht aufgegeben hat. Auch »die Baronin« ist so eine erstaunliche Figur. Sie trägt tatsächlich den Titel einer Freifrau und hat sich in ihrer kleinen Wohnung mit allerlei Vasen und kleinen Skulpturen umgeben. Was dazu geführt hat, dass sie mit über siebzig Jahren an den Kölnberg gezogen ist, darüber kann man nur spekulieren. »Es ist ein wohliges Gefühl, hier zu wohnen, denn hier kann mich niemand rausschmeißen«, sagt sie einmal, »das ist ja eine Sozialwohnung.«

 

Die Filmemacher zeigen ihre Protagonisten oft in sehr intimen Momenten, stellen sie aber nie dabei bloß. Sie ermöglichen damit einen seltenen Einblick in eine Welt, in der es nach Aussage von Sabine »24 Stunden zwölf Uhr mittags ist.« Zwei Jahre Arbeit haben sie in den Film gesteckt. »Wenn man so viel Zeit dort verbringt wie wir«, sagt Laurentia Genske, »dann kommt einem die »normale« Welt am Chlodwigplatz plötzlich komisch vor.«