Foto: Manfred Wegener

Spalten statt versöhnen

Die Grünen stellen eine OB-Kandidatin für CDU und FDP auf. Eine schlechte Nachricht für linke Politik im Rat

Je zwiespältiger die Botschaft, desto einträchtiger wird genickt. Und genickt wurde viel, als sich Mitte Januar die Spitze der Kölner Grünen in der Alten Feuerwache versammelte. Zwei Frauen links, zwei Männer rechts — soviel Restquote muss sein. Am Tag zuvor hatte die Partei bekannt gegeben, keine weiteren gerichtlichen Schritte zur Neuauszählung der Ratswahl zu unternehmen, bei der es in einigen Stimmbezirken zu statistischen Auffälligkeiten gekommen war. Zudem wolle man die Verhandlungen mit der SPD für eine Koalition im Stadtrat wieder aufnehmen. Dabei steht schon der nächste Konflikt mit der SPD ins Haus. Der Grund saß an diesem Tag in der Mitte des Podiums: Sozialdezernentin Henriette Reker.

 

2010 hatten die Grünen die gebürtige Kölnerin gemeinsam mit der SPD zur Sozialdezernentin gewählt. Mitte Januar präsentierten sie Reker nun als ihre Kandidatin für die Wahl der Oberbürgermeisterin im September — mit der Unterstützung von CDU und FDP. »Ich ducke mich nicht vor der Verantwortung weg«, meinte die 58-Jährige bei ihrer Vorstellung und erklärte, dass sie für den Gegenentwurf zu einer »parteipolitisch gesteuerten Verwaltung« stehe. Damit war der Wahlkampf eröffnet, Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) bestellte seine Dezernentin per Presseerklärung für ein Gespräch ein.

 

Rekers Botschaft für diesen Wahlkampf ist eindeutig. »Ich bin kein Politprofi«, erklärte sie bei ihrer Vorstellung. Aber dieser Nachteil soll ihr Vorteil sein. Damit steht sie nicht im Verdacht, Teil des SPD-Filzes in der Stadtverwaltung zu sein — anders als SPD-Chef Martin Börschel, der als Rekers Gegenkandidat gehandelt wird. »Wir müssen dahinkommen, dass die Leute nach Qualifikation besetzt werden und nicht nach Parteibuch«, erklärt CDU-Chef Bernd Petelkau. Reker sei »eine unabhängige Kandidatin«, die »sich vorbehaltlos für die Interessen Kölns« einsetzen könne. »Köln bleibt unter seinen Möglichkeiten«, verkündete Reker selbst bei ihrer Vorstellung. 

 

Was genau sie damit meint, ließ sie offen. Erst in den nächsten Wochen will sie gemeinsam mit Vertretern des Parteienbündnisses ein Wahlprogramm erarbeiten. Aus ihrer Politik in den vergangenen Jahren lassen sich nur schwer Inhalte für die Zukunft ableiten. In ihrer Gelsenkirchener Amtszeit hatte sie ein vielgelobtes Unterstützungsprogramm für Eltern aufgelegt, in ihrer Kölner Amtszeit ist sie bislang als Verantwortliche für die Flüchtlingspolitik bekannt, die sowohl von links als auch von der CDU stark kritisiert worden war. Sie informiere die Bürger zu spät über neue Flüchtlingsheime, so der Vorwurf der CDU. »Die Informationspolitik hat sich im letzten halben Jahr enorm verbessert«, sagt Bernd Petelkau heute. 

 

Die CDU ist bislang die symbolische Gewinnerin der Nominierung Rekers. Ihre Politiker tun sich schwer, eine großstädtische Wählerschaft anzusprechen. Im Moment stellt die Partei von den Großstädten in NRW lediglich in Münster, Wuppertal und Aachen den Oberbürgermeister, der Rest ist in der Hand der SPD. Da erscheint es naheliegend, sich den Grünen, die bei der Kommunalwahl besonders in den Innenstadtbezirken Nippes und Ehrenfeld erfolgreich waren, anzunähern. 

 

Aber es gibt noch eine andere Motivation der CDU für dieses Bündnis: Mit Reker als Oberbürgermeisterin wäre die Ein-Stimmen-Mehrheit von Rot-Grün im Rat dahin. CDU-Chef Bernd Petelkau geht trotz einer anderslautenden Entscheidung der Bezirksregierung zwar immer noch davon aus, dass die Stimmen der Kommunalwahl neu ausgezählt werden und seine Partei dann eh die Ratsmehrheit stelle. Aber mit Reker an der Spitze wären die Chancen allemal höher, die nächste freiwerdende Führungsposition in der Verwaltung mit einem CDU-freundlichen Kandidaten zu besetzen. 2016 wird ein Nachfolger von Stadtdirektor Guido Kahlen (SPD) gesucht, der dann in Rente geht. 

 

Während die Nominierung Rekers für die CDU eine klare Win-Win-Situation darstellt, ist das Risiko für die Grünen ungleich höher. Sie fahren eine Doppelstrategie: Mit der CDU im OB-Wahlkampf, mit der SPD im Rat. Die Nominierung von Reker durch CDU, Grüne und FDP stehe »nicht im Widerspruch zu Rot-Grün«, findet die Fraktionschefin der Grünen Kirsten Jahn. Nicken auf dem Podium, »Wir hatten verschiedene Personalvorstellungen«, ergänzt Marlis Bredehorst. »Das stand aber schon zu Beginn der Koalitionsverhandlungen fest.« Glaubwürdig wirkt das nicht. In den vergangenen Monaten verprellten die Grünen ihren bisherigen Koalitionspartner SPD im Rat immer wieder, nicht nur im Drängen auf eine Neuauszählung der Kommunalwahl. Durch ein Bekenntnis zu Schwarz-Grün könnten die Grünen aber auch noch jemand anderen verschrecken: ihre Wähler. Bei der letzten Kommunalwahl erhielten sie 4,7 Prozent weniger Stimmen als noch 2009, die stärkste Abwanderung fand in Richtung SPD und Linkspartei statt. Offensichtlich sind die Grünen für manche ihrer Wähler nicht mehr sozialdemokratisch genug. 

 

Die Linkspartei will auf einem Parteitag im März eine Position zur Oberbürgermeisterwahl finden. Aber aus der Ratsfraktion ist bereits zu hören, dass eine Unterstützung Rekers »unwahrscheinlich« sei. Die von der Mehrzahl der Kölner Wähler gewünschte sozialdemokratische Politik links der Mitte ist durch den Schwenk der Grünen in Richtung CDU und FDP bei der OB-Wahl bis auf weiteres auf Eis gelegt.