Einen Klinsmann für den Marktführer
»Work is much more fun than fun« – diesen feinen kleinen Aphorismus aus der Feder des englischen Dramatikers Noel Coward findet, wer sich auf der ebay-Website nach Jobs umsieht. Schöne neue Ökonomie, man ist gewarnt. So richtig Spaß hatte zuletzt wohl RTL-Chef Gerhard Zeiler: Seit eineinhalb Jahren hatte Zeiler nicht nur den Kölner Sender, sondern auch die Geschicke des internationalen TV-Imperiums der RTL Group mit gleich zwei Dutzend Sendern zu leiten. 90 Stunden, so wird kolportiert, kämen da jede Woche zusammen, das wären 15 Stunden täglich bei einem freien Tag die Woche, Hut ab. Aber Fleiß gerät zur Nebensache, wenn die Resultate nicht stimmen. Die RTL-Quoten bröckeln auf breiter Front, Mitarbeiter und Produzenten beklagen Entscheidungs- und Reformstau, und so musste schleunigst ein neuer Chef für den schwächelnden Marktführer her.
Musterschüler als Nachfolger
Nach einigen Runden des Personalkarussells und dreisten Dementi ist es nun heraus: Neuer Geschäftsführer wird ab November Marc Conrad, mit 43 Jahren bereits ein alter RTL-Recke. Von der Pike auf lernte der gebürtige Luxemburger sein Handwerk beim Kölner Privat-TV-Pionier, war Zögling und Musterschüler des Ex-Chefs Helmut Thoma. Von 1992 bis 1996 wirkte er als Programmdirektor stilprägend und wegweisend für die fetten Jahre des Senders. Conrad schaffte moderne Strukturen im RTL-Programm, die viele Sender zu kopieren versuchten. »Die Programmstruktur ist wichtiger als die einzelnen Inhalte«, so sein Ansatz. Nichts für Puristen, aber so baute er ein Programm, das sich mehr an Programmfarben und der Anmutung der Sendeflächen orientierte als an den einzelnen Sendungen, und das mit Erfolg. Aber auch die prägendsten RTL-Programmmarken der letzten Jahre – das bonbonfarbene »GZSZ«, Magazin-Monolithen wie »Explosiv« oder die Autobahn-Massaker von »Alarm für Cobra 11« – wurden zu Conrads Zeiten eingeführt. 1996, mit Amtsantritt von Zeiler, verließ Conrad den Sender, um sich fortan als Produzent zu profilieren. Zu den Erfolgen seiner in Hürth ansässigen Produktionsfirma Typhoon gehörten der Kinofilm »Das Experiment« oder auch die Grimme-Preis-prämierte RTL-Serie »Abschnitt 40«. Anerkennung erhielt er zuletzt in Monaco, wo er als »Bester TV-Produzent Europas« gekürt wurde. Ein besessener Programmmensch wie Conrad an der RTL-Spitze, da ist man sich einig, kann Fernsehdeutschland so gut tun wie Klinsmann einem ermüdeten DFB-System. Denn es ist nicht zu übersehen, dass sich allen forschen Jubiläumsreden zum 20sten zum Trotze das deutsche Privatfernsehen programmlich derzeit in einer Verelendungsspirale dreht: Die Inflationierung ohnehin schwächelnder Formate, das Hin- und Herschieben von Altbekanntem und ein zwanghaftes wie uninspiriertes Dranhängen an internationale Erfolge.
Schwanger für die Quote
Während die Reizspirale immer schneller dreht. »Sperm Race«, zu deutsch »Spermienrennen«, heißt das neue Format, mit dem die Kölner Produktionsfirma Endemol Zuschauer wie auch Glossenschreiber demnächst beglücken wird. »Sperm Race« soll eine Live-Show werden, in der Männer um den Titel des potentesten Mannes gegeneinander antreten. Der Gewinner bekommt – Porsche für Potenz – folgerichtig einen Sportwagen. Angeblich ist das Format bereits an einen »großen deutschen Sender« verkauft. Ebenfalls in Vorbereitung bei Endemol ist »Make me a Mum«. Hier treten Männer gegeneinander an, um eine Anzahl von kinderlosen Frauen zu schwängern. »Beide Shows sind Social Entertainment«, so Mike Morley, Leiter des Endemol-Kreativteams. »Sie geben einen wissenschaftlichen und emotionalen Einblick in das zunehmende Problem der Unfruchtbarkeit und eine ernst zu nehmende Knappheit an männlichen Spendern.« Ach so, und man hatte schon gedacht, »Werte wie Elternschaft und Familie, Kinderwunsch und Verantwortung verkämen hier zum Gegenstand quotenorientierter Volksbelustigung«, wie es deutsche Medienwächter spontan verlauten ließen.
24 Stunden kulinarischer Genuss
Deutlich maßvoller gibt sich da das Senderprojekt tv.gusto, ein neuer Kochkanal, der im September von Köln aus auf Sendung gehen will. Kulinarische Sendungen jedweder Couleur und rund um die Uhr soll es geben bei tv.gusto, zusammengesetzt aus sechs bis acht Stunden Originalprogramm, das mehrfach wiederholt wird, und günstig hinzugekauften internationalen Kochformaten. Vielleicht wieder ein Signal, denn Senderneugründungen verboten sich zuletzt wegen allgemeiner Schwäche und digitaler Unterentwicklung des deutschen Marktes. tv.gusto nun will digital auf Sendung gehen und via Satellit und Kabel rund zwölf Millionen potenzielle Zuschauer kulinarisch erleuchten. Knappe 10 Millionen Euro Gesamtkosten sind für das erste Jahr veranschlagt, und so geht man auch programmlich eher experimentell ins Rennen: Als Generalunternehmer sorgt die Kölner Firma spin.tv für die tv.gusto-Eigenproduktionen. Die Produzenten sehen den Sender eher als Investition, »als Versuchsplattform, auf der kostengünstig neue Projekte entwickelt werden und später an andere Sender verkauft werden könnten.« Uns so ist auch erstmal nix mit Lafers, Biolek oder Jamie Oliver – zunächst kommt der Nachwuchs an die Töpfe.
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