»The Interview« — und die Folgen
Die Meldungen kamen fast zeitgleich: Am 7. Januar gab der zu Sony gehörende Verleih Columbia Pictures bekannt, dass die zunächst wegen Terrordrohungen abgesetzte Nordkorea-Komödie »The Interview« am 5. Februar nun auch in Deutschland starten wird; wenig später stürmten mit Maschinenpistolen bewaffnete islamistische Terroristen in die Pariser Redaktion des Satiremagazins Charlie Hebdo. Auf den ersten Blick eine bittere Koinzidenz: Eine gute und eine katastrophale Nachricht im Hinblick auf die Zukunft der Meinungsfreiheit wechselten sich kurz hintereinander ab. Doch bei genauerer Betrachtung ist auch die Botschaft der Kontroverse um »The Interview« höchst ambivalent. Die Veröffentlichung der Satire, in der die CIA zwei US-Journalisten als Attentäter auf Nordkoreas Diktator Kim Jong-un ansetzt, wurde durch Terrordrohungen nicht verhindert — allerdings erst nach massiven Protesten gegen die Absetzung. Kaum Schlagzeilen machte die Nachricht, dass die Arbeiten am Nordkorea-Thriller »Pyongyang« von Gore Verbinski (»Piraten der Karibik«) nach dem Sony-Hack eingestellt wurden. Und bislang gibt es keine Meldung, dass es sich die Produktionsfirma Regency Pictures wieder anders überlegt hat.
Wie viele Projekte werden zukünftig schon — bevor die Öffentlichkeit davon etwas mitbekommen könnte — der Schere im Kopf von Autoren, Regisseuren und Produzenten zum Opfer fallen? Das ist die Frage, die dieser 7. Januar stellt. Sicher, auch schon früher haben Diktaturen versucht, Einfluss auf Hollywood zu nehmen, wie etwa Ben Urwands Buch »Collaboration: Hollywood’s Pact with Hitler« (2013) gezeigt hat. Die Druckmittel waren meist ökonomischer Natur. Die digitalisierte Welt bietet jetzt aber auch als Absatzmärkten völlig unbedeutenden Staaten die Möglichkeit, kritische Werke zu sabotieren — unauffälliger als durch Terrordrohungen. Es bedarf keiner großen Fantasie, um sich ein Szenario auszudenken, in denen Hacker-Söldner im Auftrag von Gewaltherrschern kritischen Dokumentarfilmern Daten löschen, klauen oder sie für Erpressungen nutzen. Einem Anschlag mit Maschinenpistolen und Toten wird sich eine Zivilgesellschaft immer entgegenstellen, bei einem klandestinen Datenkrieg wird dies weitaus schwieriger sein.