Foto: Anne Meyer

Willkommen in der Turnhalle

Die Hilfsbereitschaft der Bürger ist groß. Doch noch immer leben Flüchtlinge in Köln unter unwürdigen Bedingungen

In Nippes organisieren Studenten Deutschunterricht für Flüchtlinge, in der Südstadt spendeten Bürger den Bewohnern des Flüchtlingsheims an der Moselstraße Dutzende Kostüme zu Karneval, und in der ganzen Stadt engagieren sich Menschen ehrenamtlich in Patenschaften. In Köln greift eine erstaunliche Hilfsbereitschaft um sich, die sich über die Website »Willkommenskultur in Köln« und das »Forum für Willkommenskultur« immer stärker vernetzt und professionalisiert. 

 

Zweifellos ist das eine gute und wichtige Hilfe für die Flüchtlinge, doch gleichzeitig fehlt es vielen von ihnen noch immer an Elementarem wie einer anständigen Unterkunft. Mitte Februar mussten erneut Flüchtlinge in eine Turnhalle ziehen, weil das Amt für Wohnungswesen mit der Unterbringung nicht hinterherkommt. Rund 70 Menschen leben jetzt in der Turnhalle der Gustav-Heinemann-Hauptschule in Seeberg, nördlich von Chorweiler. »Dass wir schon wieder eine Turnhalle benötigen, ist eine bittere Pille, aber leider geht es nicht anders«, sagt Sozialdezernentin Henriette Reker. 

 

Ähnlich wie in dem ehemaligen Baumarkt in Porz, wo weitere 100 Flüchtlinge leben, hat die Stadt Rigipswände aufstellen lassen, so dass für jede dort untergebrachte Familie eine Art Kabine entstanden ist. So soll es ein Minimum an Privatsphäre geben. Schutz vor den Geräuschen der anderen Bewohner, unter denen auch viele Kinder sind, bieten die Kabinen jedoch nicht. 

 

Im Januar waren in Köln 5369 Flüchtlinge von der Stadt untergebracht, Reker rechnet mit 300 zusätzlichen Flüchtlingen pro Monat. Angesichts dieser Zahlen setzt die Stadt auf Notfall-Management: Nicht einmal jeder zweite ist noch entsprechend den Kölner Leitlinien zur Flüchtlingsunterbringung untergebracht, die eine dezentrale Unterbringung in abgeschlossenen Wohneineiten vorsehen. Auch ein weiteres Versprechen hat die Stadt längst gebrochen: In den Notunterkünften wird schon lange nicht mehr nur die Gruppe der »unerlaubt eingereisten Personen« untergebracht, also jene Menschen, die Köln direkt angesteuert haben, ohne dass das Land NRW sie dieser Kommune zugeteilt hätte. In der Seeberger Turnhalle leben nach Auskunft von Stefan Ferber, dem Leiter des Amts für Wohnungswesen, sogar 58 zugewiesene Flüchtlinge. Häufig haben diese zuvor viele Monate in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes verbracht und sind dann nach Köln gekommen in der Hoffnung, endlich nicht mehr in einem Provisorium leben zu müssen.

 

Im Januar wurden Köln fast nur alleinreisende Männer zugewiesen. Also belegt die Stadt die Wohncontainer, die sie in Lövenich derzeit aufstellt, nicht wie geplant mit Familien, sondern mit Männern. »Das bedeutet aber auch, dass wir dort nur etwa die Hälfte der ursprünglich geplanten 110 Menschen unterbringen können«, so Ferber. Alleinreisende Frauen, denen in ihrem Heimatland oder auf der Flucht häufig sexuelle Gewalt angetan wurde, bringe man »nach Möglichkeit gesondert« unter.

 

Wo Monat für Monat neue Unterkünfte entstehen, muss auch ständig neues Sicherheitspersonal eingestellt werden. In Köln kümmert sich das Unternehmen »Adlerwache« um die Flüchtlingsheime. Noch vor wenigen Wochen versicherte die Stadtverwaltung, dass es in Köln — im Gegensatz zu den Erstaufnahmeeinrichtungen in NRW — zu keinen Vorfällen mit dem Wachpersonal oder gar zu Misshandlungen von Flüchtlingen gekommen sei. Im Januar wurde auf einer Sitzung des nordrhein-westfälischen Innenausschusses jedoch bekannt, dass es sehr wohl Probleme gegeben hat: Fünf Anzeigen gegen Sicherheitsleute hat es von Januar 2013 bis September 2014 gegeben. Wie die Polizei auf einer Sitzung des Runden Tischs für Flüchtlingsfragen mitteilte, hatte sie die Stadtverwaltung darüber nicht informiert, weil sie die Vorgänge als »nicht herausragend« einstufte. Die Verwaltung spricht von »Rangeleien, wie sie im Alltag leider immer wieder vorkommen.« 

 

»Es gibt im Moment null Transparenz«, kritisiert Claus-Ulrich Prölß, Leiter des Kölner Flüchtlingsrats. Er fordert ein unabhängiges Beschwerdemanagement für Flüchtlinge — nicht nur bei unangemessenem Verhalten des Wachpersonals, sondern auch, wenn »ein Zimmer überbelegt oder ein Klo verstopft« sei. Als Vorbild nennt er das Beschwerdesystem, das das Land NRW nach den Misshandlungsfällen in den Erstaufnahmeeinrichtungen eingerichtet hat. Auch Jörg Detjen, Fraktionsvorsitzender der Linken im Rat, schließt sich der Forderung an. »In NRW wurde für je 1000 Flüchtlinge ein Ansprechpartner in Vollzeit eingeführt. In Köln müssen wir also fünf Stellen schaffen.« In Köln können sich Flüchtlinge bei Beschwerden lediglich an den Sozialen Dienst des Wohnungsamts oder den Träger des jeweiligen Wohnheims wenden. »Es ist aber völlig unklar, was mit den Beschwerden dann passiert«, kritisiert Prölß.

 

Dass für die Betreuung von Flüchtlingen dringend neue Stellen geschaffen werden müssen, zeigt auch folgendes Beispiel: Das Amt für Wohnungswesen hatte alle Wohnungsgenossenschaften in der Umgebung aufgerufen, leer stehende Wohnungen zu melden, damit dort Flüchtlinge untergebracht werden können. Die Porzer Gewog bot daraufhin 14 Wohnungen mit Ofenheizung zwischen Wahn und Lind an, bekam aber wochenlang keine Rückmeldung. Die Mitarbeiter hatten offenbar schlicht keine Zeit, zu antworten.