Willkommen zu den Muskelspielen

Moderner Tanz um die Männlichkeit: Das Overhead Projekt begibt sich in die Wrestling-Arena

Auf ihn mit Gebrüll! Wrestling ist laut. Es ist brutal, aufdringlich und prollig. Da springen sich Typen namens Macho Man oder Hulk Hogan mit dem Knie ins Gesicht, hauen sich mit Fäusten und Klappstühlen. Vor dem Kampf schreien sie sich minutenlang an und fletschen die Zähne wilde Tiere. Das Publikum tobt. Aber der Kampf ist die Show, das Hauen, Treten, Werfen und Würgen wird einvernehmlich fingiert.

 

Das reizt Theatermenschen, speziell aus dem Tanz. In »Carnival of the Body« sezieren Tim Behren und Florian Patschov­sky alias Overhead Project, das Wrestling fast liebevoll. Klug und geschickt machen sie keine Lachnummer daraus. Wenn sie lachen, in einer der mit ruhiger Hand aufgefalteten Szenen, ist es ein falsches Lachen. Ein Bezug auf den Fake im Wrestling. Oder sie strapazieren unsere Geduld mit dem wiederholten Auswerfen und Einholen eines Mikrofonkabels, als Anspielung auf die Moderationen während der Kämpfe. Das Posen, das Großtun, übersetzen sie, indem sich der eine auf den anderen stellt, auf den Rücken, die Schultern, auf die erhobenen Hände. Die zwei Männer verschmelzen zu einem. Scheinwerferlicht meißelt diese imposante Figur.

 

Lauern Behren und Patschov­sky in gebückter Haltung in dem mit Licht markierten Ring auf den Gegner, blicken sie wie verirrte Kompassnadeln in falsche Richtungen. Plötzlich geraten sie aneinander, greifen schnell und sicher, werfen, wirbeln und fallen. Sie verknoten Wrestling-Phrasen, Rock‘n‘Roll und Artistik. Essen stumm eine Banane. Klatschen sich auf die Haut. Behren zeigt, dass das auch weh tut; er läuft, tänzelt, stampft Posen auf die Bühne, die alle nicht halten, was sie versprechen.

 

Der »Carnival« der beiden Akrobatentänzer ist ein Panoptikum von Männlichkeitsbildern- und regungen. Aber sehr viel ansehnlicher, als es das etwas abgefrühstückte Thema vermuten ließe. Typisch für Overhead Project ist auch hier, dass sie der Handakrobatik das Triumphale entziehen und das unbedingte Vertrauen in ihre Bewegungskunst, die sie an der Brüsseler Schule für Nouveau Cirque studiert haben, in den Dienst der Choreographie stellen. Das schafft unwirkliche, poetische und zarte Momente.

 

Wie in »The Boy who cries Wolf«, einem Stück über Nähe und Verlust, in dem die beiden durch einen imaginären Wald der Verwandlungen wandeln, Kind, Bruder, Tier werden. Das Groteske, Stürmische hingegen sieht man von den beiden in »Corps étrangers«. Erfreulicherweise sind alle Produktionen bald wieder in Köln oder Umgebung zu sehen.

 


»Corps étrangers«
16.4., Schauspiel Köln im Depot 2, 20 Uhr
»The Boy who cries Wolf«
17.4, tanzhaus nrw, 20 Uhr + 25.4., theaterimballsaal Bonn, 20 Uhr
»Carnival of the Body«
geplante Wiederaufnahme im Herbst