Bürger wünschen sich mehr Grün, aber was wünscht sich Tigerwash? | Foto: Manfred Wegener

Im Gestrüpp

Die Stadt will die Parkstadt Süd mit Beteiligung der Bürger planen. Zunächst wurde gemeinsam ­gewandert

Zu den Vorzügen des urbanen Niemandslands gehört es, dass dort die buntesten Blüten sprießen. Der Höninger Weg verbindet die Innenstadt mit Zollstock. Am Übergang der beiden Stadtteile, eingeklemmt zwischen die Bahnunterführungen des Gleisdreiecks Süd, lässt sich diese Kombination finden: eine Tankstelle, der »Swingertreff 18« und die Abubakr-Moschee. Hoch verdichtete Zwischenstadt also: Benzin, Sex, Religion. Das Gleisdreieck-Süd gehört zu den problematischen Gelenkstellen bei der Verlängerung des Grüngürtels, die die Stadt Köln unter dem Monopoly-Arbeitstitel »Parkstadt Süd« in den nächsten Jahrzehnten entwickeln will.

 

Das gewaltige Areal, das von der Luxemburger Straße über den Großmarkt bis zum Rhein reicht, soll mit Wohnungen, Schulen, Infrastruktur und einem 26 Hektar großen Park zu einem neuen Stadtviertel umgestaltet werden. Der Beteiligung der Bürger, so hatten es Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) und Baudezernent Franz-Josef Höing angekündigt, kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Gestaltet wird der Beteiligungsprozess vom Berliner Büro Urban Catalyst, das zum Auftakt zu Erkundungsgängen auf dem insgesamt 104 Hektar großen Areal einlud. Etwa 250 Interessierte, neben Bürgern auch Politiker aus den Bezirken und Mitarbeiter der Verwaltung, versammelten sich am sonnig-warmen Samstagmorgen des 24. April in der Uni-Mensa. Der Altersdurchschnitt lag geschätzt bei 45 oder älter, dabei dominierte die Mittelschicht unübersehbar. Klaus Overmeyer von Urban Catalyst gab den berlinernden Entertainer, stellte die fünf beteiligten Architekturbüros und das geplante Verfahren mit Spaziergängen, »Themenabenden« im Mai und »Ideen-Marktplätzen« im Juni vor. Kritik entzündete sich dabei vor allem an einem Gremium, das die Planungsschritte in engem Kontakt mit den Architekten begleitet: In dem sitzen nur Fachpersonal und Politiker, keine Bürger. 

 

Anschließend verteilten sich die Besucher auf die sechs Routen durch das Areal, die von Mitgliedern Kölner Architekturbüros geführt wurden. Im Fall des Spaziergangs »Gleisdreick — Luxemburger Straße«  war dies Michael Scholz von V-Architekten. Anders als angegeben, erkundete nicht das Gelände am Eifelwall, auf dem das neue Stadtarchiv errichtet werden soll, sondern startete gleich zum Gleisdreieck durch. Es wurden Durchbrüche unter den Gleisen, eine »Aufwertung der Nutzung«, aber auch der Wunsch nach mehr Grün sowie die Sicherheit am Höninger Weg erörtert. Dass der Rat der Stadt bereits im September 2012 das Erweiterungskonzept Südliche Innenstadt (ESIE) beschlossen und das Benzin-Sex-Religions-Trio hier als zu beseitigende »Fehlallokation« bezeichnet hat, kam dabei nicht zur Sprache.

 

Der Spaziergang schwenkte dann auf den um vier Meter ansteigenden Vorgebirgsglacisweg ein, vorbei an Glas-Großhandel und Lagerflächen. Sie sollen auf lange Sicht abgelöst und begrünt werden. Wie ein Vorgriff auf den Grüngürtel wirkt bereits die kleine neugestaltete Freizeitsportanlage nebenan. Nächste Station: Das Südstadion und die Bezirkssportanlage Süd, die für Fortuna Köln wie für den Breitensport wichtig sind. Ein Mitarbeiter des Klubs verlas eine Wunschliste: mehr Parkplätze, ein weiterer Trainingsplatz und, bei Aufstieg in die 2.?Bundesliga, eine Jugendakademie. Das aber würde bedeuten: weniger Grün, mehr Stein. Im Sinne des Grüngürtels sollte für die Fortuna also gelten: ewig 3.?Liga. Gleich daneben liegt das Konrad-Adenauer-Tierheim. Obwohl es das einzige Tierheim im Links­rheini­schen ist, fehlt ihm eine Bestandsgarantie. So reizvoll die Diskussionen mit einem Mitarbeiter und so phantasievoll die Ideen der Bürger zur Eingliederung in den Grün­gürtel waren — die Realität gemäß ESIE lautet auch hier: »Eine Ver­lagerung soll gleichwohl einver­nehm­lich angestrebt werden.«

 

So offenbarten die Spaziergänge aber nicht nur Interessenskonflikte zwischen Stadtplanung und den Nutzern, sondern stimmten angesichts laufender Mietverträge auch schon mal auf die lange Entwicklungszeit der »Parkstadt Süd« ein.

 

Eingedenk der Vorgaben durch das längst beschlossene ESIE-Konzept stellt sich die Frage, wie groß der Planungs- und Ideenspielraum für die Bürger und auch die Büros überhaupt ist.

 

Als letztes Sorgenkind des Spaziergangs  wurde schließlich der Platz an der Vorgebirgsstraße ausgemacht. Der ist zum Parken und für Volksfeste unverzichtbar, soll aber den Sprung des Grüngürtels zur Raderberger-Brache herstellen. Hier offenbarte sich ein Problem, das auch die anderen Wandergruppen bei der abschließenden Diskussion in der Uni-Mensa benannten: Kölns brachiale Radialstraßen, etwa Luxemburger, Vorgebirgs- und Bonner Straße, sind nur schwer zu überwinden. Auch der bauliche Wildwuchs auf vielen Flächen erschwert nicht nur die »Lesbarkeit des Raumes«, es fehlt ihm schlicht an »Maßstäblichkeit«.

 

Die Spaziergänge erwiesen sich zwar als wirksames Instrument räumlicher Erfahrung, sensibilisierten für planerische Schwierigkeiten und sammelten vor allem Ideen — inwieweit diese aber wie angekündigt in den Planungsprozess eingespeist werden, muss nun aufmerksam verfolgt werden.