Faszination der HJ-Appelle
Edgar Gielsdorf, aufgewachsen in Ehrenfeld und dem Agnesviertel, war ein achtjähriges Kind, als die Nazis die Herrschaft übernahmen. Zwölf Jahre später hatte er leitende Funktionen in der Hitler-Jugend gehabt, war als Soldat im Krieg gewesen und der nationalsozialistischen Idee ergeben. »Heute frage ich mich, wie konnte ich damals eine so verdrehte Einstellung haben? Wer oder was hat mich so zugeritten?«
»Vom Christkind eine Landsknechttrommel.
Ein Hitler-Junge zieht Bilanz« heißt das Buch, das der Kölner Emons-Verlag jetzt in einer überarbeiteten Neuausgabe herausgebracht hat. Gielsdorf präsentiert darin anschaulich seinen persönlichen Werdegang, der jedoch über sich hinausweist: »Ein Bericht aus der breiten Mehrheitsgesellschaft der NS-Zeit«, wie Werner Jung, Leiter des Kölner NS-Dokumentationszentrums, im Geleitwort schreibt. Zeitzeugenberichte dieser Art sind selten, nur wenige aus Gielsdorfs Generation haben sich der persönlichen Verantwortung und Aufarbeitung gestellt.
Gielsdorf erinnert sich an die sukzessive Militarisierung seines kindlichen Alltags, an die Faszination der HJ-Appelle und Zeltlager, erzählt vom Schweigen der Eltern und von geistiger Lähmung: »Man hat mit der Denkfaulheit der Massen gerechnet – und sich nicht verrechnet.«.
BUCH
Edgar Gielsdorf: Vom Christkind eine Landsknechttrommel. Emons-Verlag, Köln 2004, 256 S., 9,80 €