Mitmachen nach Vorschrift
Wenn Straßen umgestaltet, neue Wohnquartiere gebaut oder ganze Viertel städtebaulich entwickelt werden, dann gibt es in Köln bisher keine Richtschnur, ob und wie Bürger darauf Einfluss nehmen können. Im Mai hatte der Rat der Stadt endlich beschlossen, dafür Standards ausarbeiten lassen. Für diesen »Leitlinienprozess« kommen ab Ende August je sechs Vertreter von Politik und Stadtverwaltung mit sechs Bürgern zusammen. Sie sollen möglichst im Einklang Vorschläge entwickeln. Zehn Treffen später, vermutlich im März kommenden Jahres, soll die Stadtverwaltung daraus ein verbindliches Verfahren für Bürgerbeteiligung entwickeln. Ende 2016 könnte es im Stadtrat beschlossen werden.
Drei der sechs Bürgermandate sind bereits von Initiativen besetzt worden, etwa dem »Netzwerk Bürgerengagement«. Anfang Juli wurden die übrigen Plätze unter 70 Bewerbungen ausgelost: Neben Petra Kittlaus, Mitglied der Piratenpartei aus Niehl/Weidenpesch, und Wiebke Mandt aus Sülz fiel das Los auf Marcel Hövelmann. Der Diplom-Geograf aus Ehrenfeld tritt als chancenloser Kandidat bei der OB-Wahl im September an. Er hat kein Parteibuch und arbeitet beim Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS). Daneben betreibt er ein kleines Dienstleistungsunternehmen für lokale -Projekte im Bereich Natur, Verkehr und Beteiligung. Was -Partizipation betrifft, hat er also Erfahrung. Er engagierte sich gegen den Ausbau des Godorfer Hafens und setzt sich für die Interessen von Fußgängern und Fahrradfahrern ein.
Hövelmann will für Transparenz sorgen. »Für mich war gleich klar, dass ich den gesamten Leitlinien-Prozess und meine persönliche Sichtweise darauf im Netz dokumentiere.«
Für die Politik sind im Rat der Stadt ein Vertreter der Grünen und je zwei von CDU und SPD gewählt worden. Für die SPD sitzt Christian Joisten aus Porz im Gremium. Dort hat die Stadt den Bürgern vor kurzem eine Bebauung des Marktplatzes mit Geschäften als alternativlos vorgestellt – das nannte sich »Workshop«. Joistens Genosse Raphael Struwe aus Zollstock kann dagegen gerade erleben, wie das städtebauliche Vorhaben »Parkstadt Süd« mit einer klar strukturierten und transparenten Beteiligung konzipiert wird. Hövelmann kritisiert, dass nicht klar sei, warum mal so, mal so vorgegangen werde. Die Beteiligung müsse immer gewährleistet sein. Dafür müsse dann auch ausreichend Geld, Zeit und städtisches Personal vorhanden sein.
Viele andere Fragen seien zu klären, so Hövelmann. Wie erreicht man jene, die sich nicht gut artikulieren können? »Verbesserungen für den Stadtteil Chorweiler sind zwar derzeit ein großes Thema, doch die Menschen vor Ort hört man zu wenig«, sagt er.
Am 27. August ist das erste Treffen des Gremiums. Da ist Hövelmann eigentlich mitten in seinem aussichtslosen Wahlkampf. Allzu erfolgreich darf er auch nicht sein: Würde er wider aller Erwartungen Kölner Oberbürgermeister, müsste er das Gremium verlassen.