Als wäre nichts geschehen...
Die Welt ist bunt und lustig. Ein endloser Sommer mit Schlagsahne auf dem Kuchen und immer neuem Spielzeug. Doch die Dinge sind nicht so, wie sie scheinen. Das kleine Kind, der süße Fratz, ja, dududu!, er massakriert sein Kuscheltier. Es kommt noch irrer: Plötzlich lässt das Kind von seinem Opfer ab — und liebkost das geschundene Plüsch-Warzenschwein auf einmal. Der Übergriff soll ungeschehen gemacht werden. Ein verstörendes magisches Denken. Doch hängt ihm auch der erwachsene Mensch an. Zum Beispiel alle, die ich kenne.
Ich lud zum Fest. Ich wollte den Menschen vergnügliche Stunden bereiten. Vielleicht wurde ich auch dazu verdonnert. Manches deutet darauf hin. Gesine Stabroth hatte mich angepampt, ich hätte gefälligst meinen Geburtstag zu feiern. Sich selbst immer nur einladen zu lassen (»CD kaufen und dann besoffen ins Büfett fallen!«), das sei echt asig. Also habe ich — wie angeordnet—, ein geselliges Beisammensein organisiert: Wohnung entrümpeln, Salate machen, Bier kaufen. Für das leibliche Wohl war gesorgt. Mampf, schluck, hopps. What a feeling, when we're dancing on the ceiling!
Doch weh mir! Wie danken’s einem die Gäste? Trinken die schönen Bierflaschen leer, stecken das Leergut auch in den Kasten zurück — nicht aber, ohne zuvor den Kronkorken wieder auf den Flaschenhals zu klemmen! Warum tun die das? Muss der Gastgeber doch hinterher alles wieder abpiddeln, sonst gibt’s Ärger an der Leergutrücknahme!
Das gleiche Phänomen bei fester Nahrung. Gäste wollen immer knabbern. Erdnüsse? Flips? Kinderkram! »Pistazien!«, fuhr es in mich. Welch ein zeitgemäßer Snack! Also stellte ich Schälchen mit feinsten, biozertifizierten Pistazien auf. Die müssen freilich geschält werden. Alles hat Nachteile. Wohin mit den Schalen? Keinesfalls zurück in die Schälchen! Wisse: Je mehr Pistazienschalen in die Pistazienschälchen gegeben werden, desto schwieriger wird es, noch Pistazien zu finden! Die Stimmung kippt, die ersten Gäste verabschieden sich unter Vorwänden.
Dann die Sache mit den Streichhölzern. Ich muss etwas ausholen. Als ich einmal mit einem Soldaten ins Gespräch kam, war ich bald bekannt mit sonderbaren Ritualen. Das allersonderbarste ist wohl jenes, das man »Pyromanisches Pupsen« nennen könnte: Des Abends auf der Stube, da zünden sich Soldaten nämlich nach dem üblichen Dutzend Dosenbier die Fürze an! Die eigenen oder die des Kameraden. Stichflammen schlagen aus dem Hosenlatz empor: lustige Geräusche sind weiterhin garantiert, lästige Gerüche aber gebannt. Die Ärzte warnen. Nicht nur der Furz, sondern der gesamte Soldat könnte verpuffen — aber feige sind Soldaten ja nicht. Die hören sogar Helene Fischer.
Auch wenn das Pyromanische Pupsen meine Geringschätzung alles Militärischen verstärkt, bin ich dankbar, solcherart in Kenntnis gesetzt worden zu sein, wie Feuerkraft den Mief wegschafft. Seitdem liegen stets Streichhölzer auf meiner Toilette. Müffelt’s, zündet man eines an, schon ist die Luft annähernd frühlingsfrisch.
Doch was taten auch hier die Gäste? Legten das abgebrannte Zündhölzchen, das nun ganz zweckfrei war, zurück in die -Packung!
Ich fasse mal zusammen: Kronkorken zurück auf die Flaschen, Pistazienschalen zurück ins Schälchen, Streichhölzer zurück in die Schachtel — zurück, zurück, zurück! Da horcht der psychologisch geschulte Leser auf: Mühen sich die Menschen hier, was geschehen ist, zu tilgen? Den Genuss eines berauschenden Getränks; das zwanghafte Knibbeln und Knabbern; die promethische Anmaßung, sich des Feuers zu bemächtigen, und zwar nicht, um es den Menschen zu bringen, sondern um die Ausdünstungen des Körpers zu kaschieren? Schon Wahnsinn, wen man sich ins Haus holt, wenn man Geburtstag feiern muss.