Auf die Straße
Joachim Schalke ist fassungslos. »Es kann nicht sein, dass wir das Risiko, Menschen zu überfahren, als Kollateralschaden verbuchen«, sagt er. Schalke ist Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) Köln — und nicht der einzige, der die Zustände unerträglich findet. Anfang Oktober trafen sich mehr als 300 Menschen, um gegen die Verkehrspolitik der Stadt Köln und für die Aufhebung der Benutzungspflicht von Radwegen zu demonstrieren. Anlass waren zwei Unfälle innerhalb weniger Tage. Eine Frau starb in Porz, eine weitere wurde auf dem Hohenstaufenring zwischen Rudolfplatz und Zülpicher Platz schwer verletzt. Beide wurden auf dem Radweg von abbiegenden LKW übersehen.Experten und Aktivisten fordern schon lange, den Radverkehr auf die Fahrbahn der Autos zu verlegen. »Radfahrer müssen in den Sichtbereich der Autofahrer. Wer gesehen wird, ist sicherer«, sagt Marco Laufenberg, der das Blog »Radfahren in Köln« betreibt. Zudem entsprächen die meisten Radwege nicht der Straßenverkehrsordnung, weil sie nicht breit genug und in schlechtem Zustand seien.
Um zu erreichen, dass die Benutzungspflicht von Radwegen auf den Ringen aufgehoben wird, ist eine Petition eingerichtet worden, unterstützt auch vom ADFC. Bei Redaktionsschluss hatten bereits mehr als 1.500 Kölner unterschrieben. Zudem sei auf Initiative der Grünen ein ähnlich lautender Antrag für die kommende Sitzung des Verkehrsausschusses am 27. Oktober auf dem Weg, teilt Markus Graf mit, der für die Grünen in der Bezirksvertretung Innenstadt sitzt.
Eine baldige Umsetzung sei indes nicht zu erwarten, erklärt Angela Stolte-Neumannn vom Amt für Straßen und Verkehrstechnik. Zwar denke man über ein sogenanntes Shared-Bike-Lane-Konzept nach, bei dem sich Auto- und Radfahrer auf den Ringen die rechte Spur teilen und die Pflicht, Radwege zu benutzen, aufgehoben würde. Aber die Umsetzung sei schwierig und zudem teuer, da die zum Teil alten Ampelanlagen neu programmiert werden müssten. Der Verweis auf die Ampeln sei vorgeschoben, findet der Fahrrad-Blogger Laufenberg. Es sei fraglich, ob eine Umprogrammierung in vielen Fällen überhaupt nötig sei. Den wahren Grund vermutet er in einer »autozentrierten Verkehrspolitik« der Stadt. Tatsächlich erklärt Martin Lotz von der Verkehrsdirektion der Polizei Köln, dass man auch das Fließen des Verkehrs berücksichtigen müsse: »Radfahrer auf der Straße können auch verkehrsbehindernd wirken.« Eine bedenkliche Aussage, findet Markus Graf von den Grünen. Der Verkehr solle ja nicht nur für Autofahrer, sondern auch für Radfahrer und Fußgänger fließen. Außerdem seien konstant niedrigere Geschwindigkeiten sinnvoller als ein ständiges Stop-and-Go. Graf fordert, in der gesamten Innenstadt Tempo 30 einzuführen.
Trotz Widerstands von Politik und Verwaltung machen Graf und seine Mitstreiter weiter. Laufenberg ist optimistisch: »Die Leute sind immer sensibilisierter für das Thema.«
Die Petition gibt es auf www.openpetition.de/petition/online/ring-frei-sofortige-aufhebung-der-benutzungspflicht-des-radwegs-auf-den-koelner-ringen